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Im Podcast „99 ZU EINS“ diskutiert die „Gruppe Widerspruch“ in Episode 546 das Thema Klimapolitik im Kapitalismus. Die These: Die Klimakrise lässt sich mit der aktuellen Form der kapitalistischen Staaten und Ökonomien kaum wirksam bekämpfen. Statt „noch ein weiterer Moralappell“ gibt es hier fundierte und systematische Kritik an den zugrundeliegenden Mechanismen von Wirtschaft, Staat und internationaler Politik. Ich fand den Vortrag erfrischend klar und hilfreich, um neue Blickwinkel auf viele bekannte Probleme zu entwickeln – auch wenn ich in einzelnen Punkten, speziell bei der Fiskalpolitik und in Sachen Lenkungskraft durch Vorbildfunktion einzelner Staaten, anderer Meinung bin.

Wirtschaft und Natur
Kapitalistische Unternehmen existieren, um Profit zu erwirtschaften – nicht, um gesellschaftliche Bedürfnisse oder Naturschutz zu erfüllen. Es geht um Konkurrenzfähigkeit und Unternehmensfortbestand. Umwelt- oder Klimaschutz bedeuten meist „Kosten für Unternehmen“. Diese Kosten werden, wenn überhaupt, nur getragen, wenn sie sich direkt rentieren.

Dass Firmen im Kapitalismus rücksichtslos mit natürlichen Ressourcen umgehen, liegt somit systemisch an der Logik der Gewinnmaximierung, nicht an böser Absicht einzelner Unternehmer*innen. „Unternehmen haben kein Eigeninteresse an Umweltschutz. Für sie sind das zusätzliche Kosten.“1 Episode 546: Klimapolitik im Kapitalismus 🌐 https://99zueins.de/episode-546-klimapolitik-im-kapitalismus-mit-gruppe-widerspruch/

Staat, Gesellschaft und Wirtschaft
Der Staat wird im gängigen Bewusstsein oft als neutrale, regulierende Instanz verstanden, die Unternehmen „bändigt“. Der Vortrag stellt das grundsätzlich infrage. Staaten sind keine bloßen Schiedsrichter. Sie wollen und brauchen erfolgreiche kapitalistische Unternehmen für Steuereinnahmen, Wohlstand, Arbeitsplatzsicherung und internationale Handlungsfähigkeit.

Umwelt– und Klimapolitik existieren, weil die kapitalistische Profitlogik sonst auch die Grundlagen der eigenen Gesellschaft zerstören würde, aber der Umweltschutz wird stets gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen – nicht priorisiert.

Fiskalpolitik – Widerspruch zu MMT
Hier kommt mein Einwand: Der Vortrag stellt dar, dass dem Staat nur Steuern und Kredite als Einnahmequellen zur Verfügung stehen und er im Grunde nur das ausgeben kann, was er zuvor eingenommen hat. Zumindest habe ich das so verstanden und das wäre so nicht korrekt und entspricht auch nicht dem, was wir z.B. aus der Modern Monetary Theory (MMT) wissen.

Staaten mit eigener Währung können jederzeit neues Geld schaffen, unabhängig von Steuereinahmen oder Kreditaufnahme. Sie sind nicht wie ein privater Haushalt oder Unternehmen an einen festen Budgetrahmen gebunden. Staatsausgaben und die Geldschöpfung erfolgen in der Praxis durch Buchungen bei der Zentralbank. Erst in zweiter Linie werden Steuern und Anleihen bedeutsam, insbesondere um Inflation zu kontrollieren.2 Die Modern Monetary Theory einfach erklärt 🌐 https://www.youtube.com/watch?v=KyDjIRL7OEw 3 Verglüht der Stern der Modern Monetary Theory? – Wirtschaftsdienst 🌐 https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/1/beitrag/verglueht-der-stern-der-modern-monetary-theory-7278.html 4 Wie Lindner WIRKLICH Schulden aufnimmt! | DIW erklärt Staatsverschuldung falsch! ❌ 🌐 https://youtu.be/70_R9dorxv4?list=PLh2GVMzVNiVMbhRfxYNtpY_AD9Rjf1bBU 5 Staatsschulden: Woher kommt das Geld? | Staatsfinanzierung einfach erklärt 🌐 https://youtu.be/EYQ7GyMDRPk

Kapitalismus, Energie und Klimakrise
Energie ist für Unternehmen ein zentraler Kostenfaktor. Fossile Brennstoffe wurden (und werden) massiv genutzt, weil sie günstig und zuverlässig sind – und so die Stellung im internationalen Wettbewerb sichern.

Der Staat interveniert in der Energiepolitik, weil er zuverlässige und billige Energieversorgung für das Funktionieren der gesamten Gesellschaft braucht. Der Umstieg auf teurere oder volatilere Quellen wie Wind und Sonne kommt nur langsam, weil Umstellungen systemische Kosten verursachen.

Staatenkonkurrenz und internationale Klimapolitik
Klimapolitik ist (anders als Umweltpolitik, die meist lokal/national wirkt) global – aber Kosten und Nutzen sind international asymmetrisch verteilt. Staaten sind nicht bereit, die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch ambitionierten Klimaschutz zu schwächen, wenn andere Staaten weiterhin fossile Energien nutzen. So kommt es zu minimalen Kompromissen, viel Greenwashing und regelmäßigem Bruch internationaler Vereinbarungen. Klimapolitik ist immer von nationalen Interessenbedingungen geprägt, nicht von globaler Verantwortung.

Kritik an der „Appellpolitik“ und an falschen Vorstellungen
Viele Appelle an den Staat, „endlich mehr für das Klima zu tun“, laufen ins Leere, solange die kapitalistische Logik weiter dominiert. Es herrscht oft die Annahme, dass mehr „guter Wille“, blinder Fleck, Korruption oder Konfliktscheu die zentralen Hürden seien. Der Vortrag zeigt aber: Diese Defizite sind systemisch. Der Staat kann und will sich dem Erfolg der eigenen Wirtschaft nicht grundsätzlich entgegenstellen – zumindest, solange das globale Konkurrenzsystem erhalten bleibt.

Energiepolitik und erneuerbare Energien
Der Ausbau erneuerbarer Energien wird nur dann zur Staatsräson, wenn dadurch auch wirtschaftliche und (energie-)souveräne Vorteile entstehen – z.B. durch Exportmöglichkeiten von Technologien. Deutschland, China und die USA versuchen, ihre „grünen Technologien“ als Exportschlager zu normieren und neue Märkte zu schaffen – oft unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, aber mit vorrangig nationalökonomischer Absicht.

Imperialistische Konkurrenz bleibt zentral
Die Konkurrenz zwischen Staaten hat sich von klassischem Kolonialismus hin zu ökonomischer und weltmarktbezogener Konkurrenz verschoben. Klimapolitik ist Mittel und Risiko, um die eigene Position im globalen Wettstreit zu sichern oder auszubauen.

Kein Lösungsrezept, aber eine Einordnung
Die Gruppe Widerspruch gibt bewusst keine einfachen Lösungsvorschläge, sondern will zur Kritik und zur Reflexion anstoßen. Ziel ist, die Ursachen der Klimakrise und der unzureichenden politischen Antworten vor allem im Grundmechanismus des kapitalistischen Wettbewerbs und der nationalstaatlichen Konkurrenz zu verstehen.

Der Vortrag bietet einen sehr lohnenswerten, materialistischen Blick auf die Beziehung zwischen Kapitalismus, Staat und Klimapolitik – inklusive der Schwierigkeiten ehrgeiziger und global wirksamer Klimaschutzprogramme. Einige ökonomische Ausführungen, speziell zur Rolle des Staates als „Haushalt“, sind aus moderner Geldperspektive diskutierbar. Gerade diese Reibungen machen den Vortrag aber ergiebig, um die eigene Sicht auf bekannte Probleme kritisch zu hinterfragen und neue Ansätze wie MMT ins Spiel zu bringen.

Wenn du alternative Einblicke in die Verknüpfung von Wirtschaft, Politik und Klimakrise suchst und offen bist für grundlegende Systemkritik, nimm dir die Zeit für diesen Podcast.

Fun fact am Rande: auf YouTube kannst du die Wiedergabegeschwindigkeit locker auf 1,25-fach stellen. 😂


Auf YouTube ansehen: https://youtu.be/FezcM7IzXSc

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