Ready. Steady. Maybe.

Tag drei. Es geht endlich los. Erst später als erwartet, dann urplötzlich früher als erwartet. Also Beatmung auf mobilen Betrieb umgesteckt. So ohne Befeuchtung und ultra fest angezogenen Bändern der Maske. Nur für alle Fälle. Ätzend, das. Vor allem diese trockene eiskalte Atemluft. Was tut man nicht alles? Wir stehen vor dem OP. Also naja, meine Wenigkeit ist eher am Liegen. Wenigkeit, was ein eigenartiges Wort. Und so ausgesprochen treffend, bei meinem Fliegengewicht. Was uns hierher führt, fragt jemand. Hat man mir etwa nicht Bescheid gesagt? Ich sei erst in einer Stunde dran. Zu lange, um da draußen vor der Tür im nicht windgeschützten Flur zu stehen. Und zu kurz, um noch einmal auf Station zu rollen. Mei, was solls, zurück auf mein Zimmer im FBI, einmal fix neu gelagert schon geht’s zack zack wieder in den OP. Diesmal for real.

Schaut ganz nett aus, hier. Schade, dass ich kein Bild machen konnte. Nie zuvor habe ich eine richtige Operation über mich ergehen lassen müssen. Die OP stört mich nicht. Das ist doch hochgradig interessant. Ich liebe es, wenn der Anästhesist dir sagt zählen Sie mal von zehn runter – beim letzten Mal bei einer Bronchoskopie im KRI  könnte ich noch etwas sprechen .In offensichtlicher Erwartung, dass ich spätestens bei fünf abdrifte, folgten damals Fragen zu meinem Job, zu meinem Studium und meiner Ausbildung. Heute ist das auf andere Weise interessant. Erst einmal genießen wir eine aus BTM missbräuchlicher Sicht ärztlich kontrollierte Überdosis Propofol Dosis mit nachträglicher Opioid Gabe. Glaub ich zumindest, dass es das war.

Des Aktes nächster Streich ist die Frage, wie das eigentlich ist bei mir, mit Beatmungsmaske und so. Ich werde wohl eine Weile ohne auskommen müssen. Ergo stellen wir jetzt erstmal auf 100% Sauerstoff um und warten. Und warten. Und warten, bis meine Sättigung im Blut auch auf 100 gestiegen ist. Als mir droht langweilig zu werden fallen mir die Augen plötzlich zu und ich ibin weg. Aber so richtig abgeschossen. Ich weiß gar nichts mehr von dem, was die nächste Stunde passiert ist. Null. Zero. Niente. So ein dämlicher Rausch. Nächstes Mal hätte ich wenigstens vorher noch eine Runde Lachgas. Oder erst Opioid und zehn Minuten später erst Propofol.

Hallo? Bist du das? Die freundlichen Augen meiner absoluten Lieblingskrankenschwester aus dem FBI blicken in meine Richtung. Ich bin noch zu sediert, zu hypnotisiert, um kompetent zu sagen, dass ich meinen Sprachcomputer bräuchte, um mich ausdrücken zu können. Sie hat nämlich dieser Tage Dienst in einem anderen Haus und ist noch gar nicht über meine Situation im Bilde.

Wie sich noch herausstellen sollte weiß dort niemand, wie man ein Microsoft Surface Pro einschaltet. Nun, auf dem einzigen Knopf auf der Seite, auf dem Power steht könnte einen Versuch wert sein. Ich schließe Augen. Ich spüre, dass das nicht der Aufzug im Friedrich Baur Institut ist. Da wären wir aber schon auf Station. Wie ein flüchtiger Blick bestätigen sollte, sind wir nicht im FBI. Das hier ist eine Intensivstation des Klinikums Großhadern. Na klasse, muss alles genau so unproblematisch gelaufen sein, mir es mir so viele PflegerInnen prophezeit haben. Immerhin, ich trage eine CPAP Maske. Das Extubieren hat also funktioniert. Dieses Mal entkomme ich noch dem Luftröhrenschnitt. Diesmal verlasse ich das Klinikum ohne Kanüle. Aber spannend, wie viele sich jetzt in eine Diskussion über die Kanüle stürzen. Klar, jene über die PEG haben sich ja jetzt erübrigt.

Nachmittag des dritten Tages im Klinikum. Noch immer kann ich mich zu nichts äußern, weil keiner schafft, meinen Sprachcomputer in Betrieb zu nehmen. Mei, spannendes hätte ich ohnehin nicht zu erzählen. Mir wird kurz erzählt, dass es drei Versuche gebraucht hat, den Tubus reinzuschieben. Dafür habe das Entfernen gut geklappt. Meine Lunge hat die NIV (nicht invasive Beatmung gut angenommen nach der OP. Bei ALS Patienten nicht selbstverständlich. Trotzdem sei es angebracht, mich noch 24 Stunden auf Intensiv zu behalten.

Mit Händen und Füßen – Zwinkersmiley – schaffe ich endlich, einem Pfleger zu zeigen, wo das Surface eingeschaltet und die Kamera ausgerichtet wird. Halleluja. Whatsapp, ich komme. Nachdem ich den Pflegern erklärt habe, welche wichtigen Teile meiner Beatmung sie im OP vergessen haben allerdings erst. Ohne meine bequemeren Kissen, die ich mangels Vorhandenseins in dieser Spezialklinik in weiser Voraussicht selbst mitbrachte, hätte ich im Zweifel leben müssen. Aber ohne Maske zum Schlafen stelle ich mir schwierig vor.

Nervig hier. Alles piepst, es ist immer grelles kaltweißes Licht an. Kein Mensch kennt mich geschweige denn mein spezifisches Krankheitsbild. Vermutlich steht in meiner Akte, dass ich die Auskunft darüber verweigert habe. Dabei wollte ich lediglich darauf hinweisen, dass ich bei jedem Besuch das Gleiche erzähle inklusive dieser Aussage, dass ich jedes Mal das Gleiche erzähle. Und ich das so langsam aber sicher unverschämt halte, mich ständig das Gleiche zu fragen wenn doch ohnehin niemand jemals die Akte liest. Ist nämlich echt anstrengend für jemanden, der wie ich ausschließlich mit den Augen kommunizieren kann. Was solls? Gehe ich halt mal um 18 Uhr schlafen. Mache ich sonst nur, wenn ich die Nacht zuvor durchgemacht habe.

Tag vier. Heute oder spätestens morgen geht’s nach Hause. Pustekuchen. Hier ist so unausgebucht, da muss ich glatt bis Montag bleiben. Was eine boshafte boshafte Unterstellung. Aber mal im Ernst, wieso genau muss ich weitere fünf Tage bleiben? Wovon an zweien gar nicht gearbeitet wird? Also weder von ärztlicher Seite aus noch, was etwaige Therapien angeht. Nicht, dass es unter der Woche mal eine Physio gegeben hätte. Wenn die TherapeutInnen halt auch immer nur dann auftauchen, wenn der Patient in zwei Minuten los muss zur BGA oder zur OP. Ach, Sie werden operiert? Nee, ich besuche hier nur den Weihnachtsmann. Willkommen im Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts.

Tag fünf. Im Westen nichts Neues. Das spannendste ist noch meine Diskussion mit der Ernährungsberatung. Es fällt mir manchmal nicht leicht, nicht ausfallend zu werden. Gabe meiner eigenen Trinknahrung von daheim vertrage ich sogar als 200 ml Bolus ohne Pause. Aber das Zeug vom Krankenhaus verstimmt meinen Magen. Und nachdem ich herausfinde, wieso, auch mein Gemüt. Ihr könnt doch einem Veganer keine fleischhaltige Sondenkost geben. Ich rede nicht von Milcheiweiß oder so, sondern von püriertem Fleisch. Mir wird erklärt, dass es keine vegane Trinknahrung gibt. Vegetarisch möge sein, g‘bt’s aber hier im Klinikum nicht. Sonderbar, denn ich habe zu Hause einen ganzen Schrank voll davon. Und garantiert alles fleischlos. Grad, dass ich dort nicht in die Maske gekotzt hab. Als man mir noch ersatzweise eine Rinderkraftbrühe anbietet wird meinem Pfleger und mir klar, dieses Gespräch führt zu nichts. Kundig machen und sich bei mir melden werde man sich. Du kennst das Ergebnis.

Ja einen Moment noch, wir sind noch nicht fertig hier. Wie schauts denn nun aus mit meiner Entlassung? Am morgigen Samstag ist doch keiner hier, um mich zu befreien. Am Sonntag erst recht nicht. Und am Montag? Das Spiel kenne ich. Das endet wie meine letzte Entlassung an einem Freitag. Plötzlich sind unerwartet alle Ärzte weg. Das ist ausnahmsweise kein Zynismus sondern eine Schilderung dessen, was ich hier schon alles erlebt habe. Ein Muster ist erkennbar. Ein Schelm sei, der Böses dabei denkt. Wir einigen uns auf eine am Freitag geschriebene Entlassung am Samstag. Kann mir ja nach wie vor niemand erklären, was der heutige Freitag hier gebracht hat. Da brauchen wir über den Samstag gar nicht erst anfangen.

Tag sechs. Ich werde entlassen. Der Intensivtransport soll gleich da sein. Sachen gepackt und alles bereit zur Abfahrt. Nur der Transport kommt nicht. Erst abends, als es schon dunkel ist draußen. Den Job will ich auch nicht machen. Aber es ist vor allem die fehlende Organisation. Ich kann doch nicht 60 Minuten Fahrzeit planen für die Strecke Frankfurt München. Und Tragehilfen aus Prinzip erst dann bestellen, wenn der Transport bei der Zieladresse angekommen ist. Also warten wir, bis der zweite KTW vom Einsatz am Harras nach Grünwald gekommen ist. KTW, gutes Stichwort. Wie in bisher ausnahmslos jedem Fall kam kein Intensivtransport wie vom Arzt verordnet und bestellt. Streng genommen hätte mich bisher nie ein Transport mitnehmen dürfen ohne Notarzt oder an der Maschine ausgebildetes Personal. Aber das ist ein Thema für ein andermal.

Aber Teil vier, der folgt hier.