Wenn ich nicht alles selbst mache

Vorbereiteter Beitrag, bewusst nicht tagesaktuell. Diesen Artikel hätte ich schon vor einigen Tagen oder Wochen veröffentlichen können und habe mich bewusst dagegen entschieden, um mögliche Rückschlüsse auf die zu diesem Zeitpunkt diensthabenden Pfleger auszuschließen. Denn das kläre ich mit QM und QB des Pflegedienstes, aber sicher nicht hier. Für die Story ist der Hintergrund aber nötig, sonst versteht man den Zusammenhang nicht.

Alles muss man selber machen. Echt wahr. Mir fehlen grad mal wieder die Worte. Seit Jahren frage ich immer wieder bei meinem Versorger wegen eines Fernalarms für meine Beatmung an. Mittlerweile waren schon mehrere Ansprechpartner für mich zuständig. Jeder erzählte mir das Gleiche. Fernalarm für Heimbeatmung? Nein, so etwas gäbe es nicht. Das sei nur in Krankenhäusern üblich.

Diese Aussage hilft mir leider herzlich wenig. Schon bei meinem ersten Pflegedienst haben Pflegekräfte den Alarm nachts oft nicht gehört, weil Sie tief und fest geschlafen haben. Da konnte ich aber noch ohne Maske. Konnte auch noch selbständig den Hustenautomaten bedienen. Und iim Notfall konnte ich meine diversen Sprays gegen Asthma und Co. ohne fremde Hilfe einnehmen. Was ich praktisch jede Nacht auch getan habe. Heute geht das in Ermangelung einer funktionierenden Oberkörpermuskulatur (keine hilfsmittelfreie Einatmung möglich) nicht einmal mehr mit fremder Hilfe.

Und dann kam der nächste Pflegedienst. Alles sollte besser werden. Hat man mir gesagt. Pustekuchen. Erst war alles gut. Doch dann passiert schlagartig exakt das gleiche wie bei meinem alten Pflegedienst. Ständig sind die Pfleger so fest eingeschlafen, dass sie Alarme über Stunden nicht gehört haben. Und das nicht nur mit einem einzelnen Pfleger. Nein, bei mehreren. Mehrfach passierte das sogar tagsüber. Direkt nach Dienstbeginn. Also an mir kanns nicht liegen.

Manchmal hatte ich Glück. Da war ich grad im Zoom Video Meeting mit meiner Schwester. Die konnte dann die betreffenden Pfleger auf deren Handys anrufen. Wenn das auch nichts half, mussten Teamleiter und Pflegedienstleiterin dran glauben. Nach dem Motto, wenn der Chef an der Haustür klingelt, das kann man nicht überhören. Aber was bringts? In dem akuten Moment habe ich von alledem nichts. Ein Lerneffekt ist auch nicht in Aussicht zu stellen, wo doch der Teamleiter selbst regelmäßig den unüberhörbar lauten Alarm verschlief. Und eine Pflegedienstleitung gab es dort monatelang nicht.

Szenenwechsel. Mal wieder ein neuer Pflegedienst. Alles sollte besser werden. Ich möchte starten mit der Aussage, ich habe mich noch nie so gut versorgt gefühlt wie heute. Ich bin mega glücklich. Blöderweise triggern beim Menschen negative Erfahrungen viel schneller und anhaltender als positive. Und so hinterlässt es einen ziemlich faden Beigeschmack, wenn ich innerhalb von nur einer Woche zweimal – von unterschiedlichen Pflegern – falsch gelagert werde. Diese obendrein ihre eigenen Wecker nicht hören, um mich nachts zu lagern. Ich deshalb natürlich nachts mit Schmerzen aufwache. Ziemlich blöde Sache, das. Wenn ich dann wie in beiden diesen Fällen 50 Minuten lang Alarm auslöse und kein Pfleger bekommt davon auch nur das kleinste bisschen mit… dann läuft da gehörig was schief.

Und dann kommt der dritte Pfleger in einer Woche, der schon tagsüber mehrfach einpennt und mich nachts über 1,5 Stunden lang hunderte Male (laut Protokoll der Maschine) Alarm klingeln lässt. Schmerzdurchströmt und schweißgebadet bin ich. Weil er mal wieder nicht kapiert, dass man Patienten nicht direkt auf den Schulterknochen legt. Man zieht die Schulter raus. Und sich mal eben drei, vier Stunden verpissen während bezahlter Arbeitszeit, ist nie eine gute Idee. Als 1:1 Intensivpfleger eines beatmungspflichtigen ALS Patienten mit Tetraparese erst recht nicht. Macht er aber mehrere Tage und Nächte hintereinander. An sich ein sofortiger Kündigungsgrund. Aber was willste machen, findest ja kein Pflegepersonal.

Schlussendlich fühle nicht mehr nur ich mich krass unwohl, sondern meine Freunde sind ernsthaft besorgt um mich. Hätte sich – so wie es tagsüber passiert ist – der Deckel vom Befeuchter mal wieder gelöst als der Pfleger schlief, du würdest das hier nicht lesen. Ich wäre jetzt tot.

Sein Kommentar dazu, als ich ihn wiederholt zur Rede stelle: Ich habe mir ja einen Wecker gestellt. Ich wäre schon irgendwann gekommen. Sorry, so viel Dummheit gehört verboten. Aber das hast du – mittlerweile – hoffentlich endlich kapiert, nachdem dann wieder einmal Geli und Erik deine Nachtschicht übernommen und dich ins Bett geschickt haben. Hättest dich wenigstens bedanken können bei den beiden dafür, dass sie dir den Arsch gerettet haben. Echt unglaublich. Zum Glück ist meine Türklingel so laut, dass die beiden geschafft haben, dich zu wecken. Ich habe da ja auch schon wieder ewig und drei Tage auf was zu Essen und Trinken gewartet. Und über 20 Minuten sturmgeklingelt, mit Alarm meiner Augensteuerung und Leckagealarm der Beatmungsmaschine gleichzeitig. Abendessen ist dann mal wieder ausgefallen, aber dafür hast du ja gleich mal wieder die PEG thematisiert. Ganz dünnes Eis, mein Lieber, sowas von dünnes Eis.

Getoppt wird das nur noch durch das Gesülze, das du meiner Physiotherapeutin aufgetischt hast. Nicht gut in Form sei ich. Die Schulter ist verspannt und ich sehe müde aus, merkte sie an. Da erklärt dieser Pfleger doch ernsthaft, ich hätte Probleme mit dem Stuhlgang und deshalb ginge es mir so schlecht. Ohne Witz, ich hätte dir am liebsten in die Fresse gehauen. Gib es wenigstens zu, dass du mal so richtig Scheiße gebaut hast.

Da fällt mir ein, doch, noch einen hast du draufgesetzt. Fast hätt ichs vergessen. Einen Nachtdienst hattest du ja noch und alle meine befreundeten Intensivpfleger, die ich so kurzfristig hätte fragen können, mussten selbst arbeiten oder waren im mehr als wohlverdienten Urlaub. Da hast du in meinem Bett mit mir geschlafen, damit du ganz sicher den Alarm hörst. Hast du halt leider trotzdem nicht. Wohlgemerkt, sogar meine leidgeplagten Nachbarn haben den Alarm gehört. Ob alles in Ordnung sei, weil ständig der Alarm angegangen ist. Also am Alarm kann es demnach kaum liegen. Und (fast) alle anderen Pflegekräfte hören ihnebenfalls. Naja, sehen wir den Tatsachen ins Auge. Wann immer du nach einem freien Tag ausgeruht zur Arbeit kamst, war es sonst ja auch kein Thema. Hat ja vier Wochen zuverlässig geklappt vorher.

Hätte ich vorher gewusst, dass du nicht einmal den Anstand besitzt, das Bett frisch zu beziehen, nachdem du in der Bettwäsche meiner Freundin schläfst, ich hätte dich höchstens auf dem Gästebett schlafen lassen. Aber genüsslich bei mir zu duschen war mal wieder wichtiger. Naja, mein Frühstück ist ja dann auch ausgefallen wie so oft, wenn du Dienst hast. Weil du jeden zweiten Dienst mehrere Stunden zu spät erscheinst. Ich sag nur… PEG.

Nichtsdestotrotz, die Lösung wäre so einfach. Meine Pfleger werde ich wohl nicht mehr dazu bringen, im Dienst nicht einzuschlafen. Der Zug ist abgefahren. Ich bin zu müde, um auf fahrende Züge aufzuspringen. Auch dieser Zug ist abgefahren.

Aber es kann doch nicht sein, dass ich schon wieder der einzige Mensch auf diesem Planeten sein soll, der dieses Problem hat. Und der Anschluss für einen Krankenhausalarm ist an meinen Geräten ja vorhanden. Da muss es was geben. Auch wenn die Fachberater anderer Meinung sind. Also recherchiere ich mal wieder selbst. Hilft ja nix. Ich brauche Lösungen, kein Gelaber. Mir helfen weder Schuldzuweisungen noch dummes Lamentieren.

Ich brauche Ergebnisse. Und das schnell. Schnell. Gutes Stichwort. Und so recherchiere ich halt doch mal wieder selbst. Fucking nochmal bin ich schnell. Zwei Minuten und ich finde etwas, das schnell meine volle Aufmerksamkeit bekommt. Zwei Minuten. Höchstens. Eher weniger. Hersteller-Webseite, Produkte, Beatmung, Zubehör. Erste Seite die angezeigt wird: Fernalarm. Hm… Klingt schon sehr stark nach genau dem Produkt, welches es laut meinem Versorger nicht geben soll. Deshalb reiße ich mich zusammen und formuliere eine zurückhaltend geschriebene Anfrage an meinen Versorger. Oh ja, wer mich kennt, der weiß, dass das für mich echt zurückhaltend ist. Und wie sehr ich mich für ein bisschen Diplomatie manchmal am Riemen reißen muss.

Hallo,

diesbezüglich habe ich mehrfach bei verschiedenen Mitarbeitern angefragt und mir wurde jedes Mal gesagt so etwas gäbe es nicht. Nachdem heute Nacht wieder einmal ein Pfleger geschlagene 50 Minuten lang den Alarm nicht gehört hat, habe ich jetzt selbst recherchiert. Bitte sagt mir, dass ich mich irre, denn ich habe keine fünf Minuten gebraucht, um auf der Herstellerwebseite folgendes Zubehör zu finden, das auch noch genau so heisst...

https://document.resmed.com/documents/products/accessory/remote-alarm-ii/user-guide/remote-alarm-ii_user-guide_row_mul.pdf

Was ist denn daran falsch? Ließe sich das nicht an meiner Astral verwenden?

Falls doch, was braucht ihr, um solch einen Fernalarm mit 20 Meter Leitung für mich bestellen zu können?

Liebe Grüße
Patrick Ruppelt

Schnell, unerwartet schnell, erhalte ich einen Anruf von meinem Versorger. Anhand der von mir bereitgestellten Infos – ähm, Sie meinen die Artikelnummer, die ich von der Hersteller-Webseite kopiert habe? Na dann. – konnten sie das in Erfahrung bringen .

Jetzt halt dich fest.

Nicht nur, dass es diesen Fernalarm tatsächlich gibt. Nein, wirklich? Er passt auch zu meiner Maschine. Ach? Hatte ich gar nicht erwartet, nachdem das ja extra als Zubehör für mein Beatmungsgerät gelistet ist. Es kommt noch besser. Der Fernalarm ist, wen wunderts, sogar als Hilfsmittel im Leistungskatalog der Krankenversicherer gelistet. Also verordnungsfähig. Soll heißen, ich zahle nicht einmal was extra dafür, von den 5,- € oder was das sind an Zuzahlung mal abgesehen. Und wer glaubt, das wars schon mit dem Kopfschütteln, den muss ich schon wieder enttäuschen.

Das Beste zum Schluss: Mein Versorger hat diesen scheiß Fernalarm sogar am Lager. Mal sehen, wann ich ihn in den Händen halte. Meine Bestellung ist schon einige Tage her. Ich werde berichten.

Was ich mir an gesundheitlichen Schäden, Angst, Stress, Schmerzen und Panik hätte sparen können, wenn auch nur ein einziger der von mir befragten Ansprechpartner bei meinem Hilfsmittellieferanten seinen fucking Job gemacht hätte. Alles Deppen.