Über ALS, Augenschmerzen und zu kurz gedachte Diagnosen
Die Sonntagsfrage(n). Im Gespräch mit meiner Schwester. Sandra ist meine Augenärzti. Das fünfte Vergangenheitsinterview, aufgezeichnet am Montag, den 24. Febraar 2024.
Katrin: Wie geht’s denn dem Auge eigentlich?
Soll ich der Augenärztin mal ein aktuelles Foto schicken?
Patrick: Gestern war nicht gut. Heute wieder besser.
Katrin: Kannst du festmachen, woran es liegt, wenn es schlechter ist?
Viel am PC gearbeitet?
Schleim, Sekret?
Länger oder kürzer geschlafen?
Bettenwechsel?
Da wird ja zum Beispiel einiges an Staub aufgewirbelt.
Patrick: Ja, aber es war schon beim Aufwachen schlecht. Null PC-Arbeit. Normal schlecht und kurz geschlafen. Schleim ja.
Katrin: Ist heute weniger Schleim/Sekret als gestern?
Patrick: Vielleicht. Schwer zu sagen. Ich schaue mal meine Notizen vom Schreiben durch.
Eigentlich habe ich das schon viel länger. Mein Arzt wollte keinen Abstrich oder weitere Untersuchungen machen, weil das nichts an der weiteren Behandlung mit Antibiotika ändern würde. Sogar Luisa hatte gesagt, er solle einen Abstrich machen.
Katrin: Oha! Seit wann ist Luisa nicht mehr bei dir?
Ich meine mich zu erinnern, dass ich das erste Mal so letzten Sommer mitbekommen habe, dass deine Augen gerötet waren und du von Lichtempfindlichkeit gesprochen hast.
Patrick: Seit Oktober offiziell, aber eigentlich schon Ende August.
Ja. Na sowas, da fällt mir auf, dass ich ja gar kein Fenta genommen habe. Nur alle fünf bis sieben Tage zur Behandlung und da oft ohne Spray, weil wir dachten, das Granulom sei weg und das Spray war monatelang nicht lieferbar.
Da hat sich jemand geirrt mit seiner Behauptung, dass Fentanyl an allem schuld sei und die Entwöhnung das Einzige ist, was wichtig ist. Sachen gibt’s.
Ich habe eine einfache Theorie,
die Sandra Annahme bestätigen würde, dass die Ursache der Schmerzen in ausgetrockneten Augen liegt.
Katrin: Theorie = Sandras Annahme = trockene Augen?
Ja, das wäre auch volül nachvollziehbar → dadurch, dass die Augen weniger befeuchtet sind, wenn man weniger oft blinzelt. Und auch nachts machst du die Augen nicht ganz zu, glaube ich, oder?
Das trocknet dann sicherlich zusätzlich aus.
Das mit dem Hornhautriss und der Bindehautentzündung kam ja alles noch on top.
Patrick: Warum immer das rechte Auge? Es ist immer das rechte Auge, das schmerzt, das rot wird, das so viel Sekret bildet – immer und immer wieder. Das linke kann sich mal entzünden, aber eigentlich ist es immer das rechte Auge, das so arg weh tut. Seit mindestens einem halben Jahr, wenn nicht länger.
Es wurde immer abgetan als:
– Unhygienisches Arbeiten
– Speichel ins Auge gekommen
– Bei der Pflege nicht aufgepasst
– Einfach empfindliche Augen
– Pech
Das waren meine Theorien.
Und natürlich die Theorien meines Arztes:
– Zu viel PC-Arbeit
– Zu viel PC-Arbeit
– Und auch wenn ich seit vier Wochen nicht mal „Husten“ geschrieben hatte: zu viel PC-Arbeit.
Und zuletzt die absurde Theorie, dass Fenta die ganzen Symptome hervorrufen würde oder ich mir das alles nur einbilde wegen meiner „massiven Fentanyl-Abhängigkeit“.
Ich glaube, das ist alles Blödsinn.
Warum immer nur das rechte Auge?
Ich glaube, die Lösung ist so simpel, dass wir nicht daran gedacht haben …
Ich habe oft und viel darüber nachgedacht.
Auf folgende Idee bin ich gestern zufällig gekommen:
Ich konnte vorgestern Nacht wie üblich seit dem letzten Arztbesuch nicht einschlafen.
Muss immer noch jede Nacht daran denken, wie er mich behandelt hat. Total bekloppt.
Gegen 4 Uhr habe ich mir eine Zolpidem [starkes Schlafmittel, das ich bei Bedarf zusätzlich zu meinem eigentlichen täglichen Schlafmittel bekomme] geben lassen, bin aber dann trotzdem irgendwann aufgewacht, als ich gelagert wurde, und war von Zolpidem recht verpeilt und langsam.
Dabei ist mir aufgefallen, dass – bevor ich bewusst beide Augen geöffnet habe – mein rechtes Auge bereits offen war. Ich habe versucht, das Auge zu schließen, aber das Augenlid war verkrampft und ich konnte es nicht schließen.
Und wieder war es das rechte Auge …
Katrin: Das heißt, das rechte Auge ist länger und öfter geöffnet als das linke?
Patrick: „Sag mal, kannst du dich erinnern, wenn ich nachts offene Augen habe – sind beide gleich weit geöffnet oder ist eins mehr oder weniger geöffnet?“
Diese Frage stellte ich meinen Pflegekräften und hörte:
„Tatsächlich, eigentlich ist immer das rechte Auge weiter geöffnet.“
Verkrampfter Muskel, Motorik gestört, Muskeldystrophie, Kontraktur …
Das ist ALS, und die breitet sich bei mir von rechts unten nach links oben aus.
Das war bei den Zehen so, mit den Beinen, dann bei den Händen, den Armen, den Wangenmuskeln, den Lippen.
Links kann ich die Lippen schließen, rechts nicht.
Wenn mein Kopf links ist, läuft kein Speichel aus dem Mund.
Du drehst meinen Kopf nach rechts, und zwanzig Minuten später schwimme ich.
Und jetzt sind die Augen dran.
In drei Monaten habe ich das gleiche Problem mit dem linken Auge.
Katrin: Ha! Das klingt plausibel.
Schickst du das auch an Sandra?
Damit man beim rechten Auge weiterhin entsprechend behandelt und beim linken Auge vorbeugt?
Patrick: Kann man nicht viel machen.
Wenn der Pfleger das Auge mit dem Finger schließt, geht es nach ein paar Minuten wieder auf.
Meine Pflegerinnen und Pfleger dürfen das mal beobachten und dokumentieren, ob das wirklich so ist, wie ich denke.
Die bringen mich um, wenn ich ihnen sage, dass sie noch eine Dokumentation mehr pflegen müssen …
You can find the background to this and how the idea came about in this article here: The past interview experiment. Always on Sundays.
Namen wurden geändert.