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Geboren, um Besuchszahlen zu bringen – gestorben, weil dich niemand mehr sehen will

Im Tiergarten Nürnberg geschieht derzeit ein Drama, das in skandalöser Deutlichkeit zeigt, woran moderne Zoos kranken. 20 Guinea-Paviane, intelligent, sozial, fühlend, leidend – geboren in Gefangenschaft, aufgezogen unter künstlichen Bedingungen – sollen sterben. Warum? Weil sie „zu viele“ sind. Weil sie nichts mehr „nützen“. Und weil Institutionen lieber recht behalten wollen, als Leben zu retten.

Die Tiere wurden herangezüchtet, um Besucher*innen an die Gehege zu locken. Nun, da sie älter geworden sind, sich die Gruppe zu stark vermehrt hat und genetische Vielfalt fehlt, spricht man im Zoo von einem „dringenden Problem“. Doch die Tiere machen lediglich das, was von ihnen immer gefordert wurde: (über)leben, sich fortpflanzen.

Wenn sie dabei zu viele werden, lautet die bittere Konsequenz: Tod durch Euthanasie. Zoothanasie.

Leben in der Warteschlange zum Tod
Offiziell heißt es, man habe intensiv nach Lösungen gesucht: Abgabe an andere Zoos, Vermittlungen ins Ausland, Gespräche mit Auffangstationen. Aber alle Anläufe scheiterten angeblich. Besonders auffällig wird jedoch, wie die Abgabe an das Wales Ape and Monkey Sanctuary, vermittelt durch das Great Ape Project (GAP) und Mission Erde e.V., nun absichtlich torpediert zu werden scheint.

Das Sanctuary hat erklärt, dass es eine Bedingung des Tiergartens nicht erfüllen kann: die Zustimmung zur weiteren Zucht der aufgenommenen Paviane. Und genau da zerschlägt sich die angebotene Rettung1 Zoos wollen Recht auf Töten – Kommentar 💬 https://www.prowildlife.de/aktuelles/kommentar/zoos-wollen-mehr-tiere-toeten/ .

Sanctuarys züchten nicht. Es widerspricht ihrem Grundverständnis. Sie sind keine Produktionsstätten – sie sind letzte Zufluchtsorte für Tiere, die zu „viel“ geworden sind in einer Welt, die sie nur in Zahlen bewertet. Die Aussage des GAP, es könne der Frage nach Beteiligung am Zuchtprogramm nicht zustimmen, ist keine Weigerung, sondern eine Prinzipienfrage:

„Ein Sanctuary ist ein Ort, an dem Tiere nicht reproduzieren müssen. Sie werden nicht gezüchtet – sie dürfen einfach nur leben.“

Der Tiergarten Nürnberg nutzt das zur ablehnenden Geste – und macht daraus einen Vorwand, um sich nicht von den überzähligen Pavianen zu trennen. Die Kommunikation zwischen Zoo, Sanctuary und GAP wirkt inzwischen wie ein zermürbendes Machtspiel, bei dem Recht haben wichtiger ist als Gnade, Empathie oder Leben.

Der Preis fürs Prinzip
Anstatt die 20 Paviane in ein Leben ohne Gitterstäbe zu entlassen, hält der Tiergarten Nürnberg an seiner Vorstellung vom kontrollierten Zuchtmanagement fest. Er verweigert eine Abgabe, wenn nicht weitergezüchtet werden darf – ein absurdes Szenario, wenn es längst um „zu viele Paviane“ geht.

So verhärtet sich ein Konflikt, der sich wie ein Stück aus einem kafkaesken Theater anfühlt. Zwei Parteien, die einen Konsens wollen, aber unterschiedliche Sprachen sprechen: Die einen reden von Leben, von Verantwortung, von ethischer Sorge. Die anderen von Genpools, Zuchtlinien und Managementplänen.

Die Leidtragenden? 20 einzelne, fühlende Leben. Nicht „Zuchtmaterial“, nicht „Bestandskorrektur“, sondern soziale, intelligente Individuen2 Guinea-Baboon Factsheet – ARKive 🌐 https://web.archive.org/web/20190205214451/http://www.arkive.org/guinea-baboon/papio-papio/ .

Und während der Zoo über Zuchtstandards diskutiert, rückt das Giftdepot offenbar näher. Sollte wirklich eingeschläfert werden, wäre es ein Statement an all jene, die glauben, Zoos seien Stätten des Artenschutzes: Tiere, die nicht mehr passen, werden getötet.

Ein System entlarvt sich
Der Fall der Guinea-Paviane zeigt in aller Deutlichkeit: Es geht in Zoos nicht um lebendige Tierpersönlichkeiten, sondern um Nutzen, Effizienz und Kontrolle. Solange Tiere vermarktbar sind, werden sie am Leben gehalten. Wenn sie zu viele Ressourcen kosten oder sich nicht mehr in das Bild der Zuchtbücher fügen – sind sie überflüssig.

Diese Praxis ist nicht neu, aber sie gerät immer häufiger in die Öffentlichkeit. Die Zoos kämpfen offen dafür, das massenhafte und systematische Töten als notwendiges Mittel des Artenschutzes in der Zucht zu etablieren. Die Zahlen sprechen Bände:

Zoos rechtfertigen ihre Existenz mit vermeintlichem Artenschutz, fungieren aber ganz real als wirtschaftlich orientierte Institutionen: Tiere bringen Tickets, Jungtiere bringen Schlagzeilen – und tote Tiere? Brachten zu wenig Besucher*innen. Kosten tot weniger als lebendig5 Zoos : le divertissement motivé par le profit l'emporte sur la conservation 🌐 https://deannadeshea.com/zoos-profit-driven-entertainment-over-conservation/ .

„No gorillas, polar bears, rhinos, elephants, tigers, pandas, or chimpanzees born in zoos will ever be released into the wild. Some zoos support mass poaching to get wild animals, and in 2019, both China and the U.S. pushed to import wild elephants.“

Deanna DeShea, Award-winning wildlife photographer6 Zoos : le divertissement motivé par le profit l'emporte sur la conservation 🌐 https://deannadeshea.com/zoos-profit-driven-entertainment-over-conservation/

Und die Politik?
Derweil wird auf Regierungsebene ernsthaft diskutiert, ob das Töten gesunder Tiere in Zoos unter bestimmten Bedingungen legalisiert werden sollte – ausdrücklich auch für Meeressäuger und Primaten7 Les zoos doivent accepter la mort des animaux pour l'éducation et la conservation 🌐 https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2414565121 .

Worte wie „Bildung“, „Wissenschaft“ und „Bestandsmanagement“ sollen die Frage nach dem ethischen Grundrecht auf Leben übertönen. Doch wenn es in einem Land erlaubt ist, gesunde Affen zu töten, weil sie nicht mehr ins Konzept passen, dann müssen wir nicht über Schutz, sondern über Systemversagen sprechen.

Das Drama um die Guinea-Paviane in Nürnberg ist mehr als ein lokales Missverständnis. Es ist ein Symbol für ein System, das Tiere nicht als jemand, sondern als etwas betrachtet.

Sie wurden geboren, um besucht zu werden. Jetzt sollen sie sterben, weil sie niemand mehr sehen will.

Und während Zoo und Sanctuary weiter über ein „Ja“ oder „Nein“ in einem Zuchtfragebogen diskutieren, droht 20 fühlenden Wesen der Tod.

Es braucht keinen Fragebogen, um das Richtige zu tun.

Es braucht nur den Willen dazu.


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  • Petition Keine Tötung ungewollter Zootiere. Signe maintenant
  • Petition Stoppt die Tötung der Paviane im Tiergarten Nürnberg openpetition.de/!paviane
  • Großdemo am 26. Juli in der Nürnberger Innenstadt mit dem Biologen Mark Benecke – organisiert unter anderem von „Great Ape Project“. Genau, das sind die, die laut Tiergarten kein Interesse hätten.

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