Ein Trauerspiel in sechs Akten

So mehr oder weniger

Im Motzen bin ich gut, wenn ich will und mir Mühe gebe. Also nahtlos weiter im Text. Ich nehme an, du hast den ersten Teil dieser Geschichte bereits gelesen. Falls nicht, findet du ihn hier. Hat mich 7.000,- € gekostet, die Story, also, Reinschauen lohnt sich.

Noch so eine Kleinigkeit, auf die im Vorfeld nie hingewiesen wird, ist die veränderte Sekretbildung. Durch die Reizung des Magens wegen der direkten Lebensmittelzufuhr ist es offenbar so, dass Mund und Rachen ununterbrochen einen zähen, pappigen, eigenartig schmeckenden Schleim produzieren. Ich muss praktisch laufende abgesaugt werden. Nachts ist das supernervig, vor allem für meine Pfleger. War ich bisher zufrieden, wenn man mich alle 90 Minuten gelagert hat, so wache ich jetzt mindestens alle 60-90 Minuten verschleimt auf und habe das dringende Bedürfnis abgesaugt zu werden. Und zwar am besten noch bevor mir Sekret und Speichel noch weiter die Atemwege runterläuft. Das aufzuhalten, abzuhusten oder zu schlucken gehört nämlich zu den Dingen, die meine Muskeln nicht mehr beherrschen.

Absaugen ist ja nicht tragisch. Nur geht das dummerweise nicht, solange ich die Mund-Nasen-Maske trage. Als erst auf den Rücken drehen  – erster Schwung Schleim verselbständigt sich in Richtung Bronchien – Kopf drehen  – zweiter Schwung Schleim wird dann schon etwas eklig – abgesaugt werden und anschließend alles wieder zurück. In hoffnungsvoller Erwartung, dass der im Bett mit Paddy war. Nicht, dass wir schon einmal so weit waren. Ist schon ein Jährchen her. Ein Pfleger hat sich seinerzeit erfolgreich vorgedrängelt. Nicht wahr, Professor?

Mal wieder zurück zum eigentlichen Thema. All das im Vorfeld zu wissen, hätte an meiner Entscheidung für die PEG nichts geändert. Weder zeitlich noch in der Sache als solches. Es war die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt.

Und nein, liebe Zweifler, auch jetzt wo ich die PEG habe, teile ich nicht eure Meinung ich hätte es früher machen sollen. Sorry, da habt ihr euch alle geirrt.

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass man als Patient im Vorfeld informiert werden sollte über solche Dinge. Aber was erwarte ich? Man hat ja nicht einmal angemerkt, dass man mich würde intubieren müssen. Und wie problematisch das bei ALS Patienten wie meiner selbst ist. Denn die Gefahr, dass meine Lunge nach dem Extubieren den Dienst komplett verweigert und nicht mehr anspringt, ist nicht von der Hand zu weisen. Im noch besten Fall hätte ich das Krankenhaus dann mit Luftröhrenschnitt verlassen. Meiner bescheiden unwichtigen Meinung nach gehört so ein Hinweis unbedingt in das ärztliche Vorgespräch. Aber nicht einmal dem ärztlichen Personal war das durchgehend bekannt, also ist meine persönliche Erwartungshaltung wohl einfach zu weit oben angesiedelt.

Aber mal im Ernst. Da bestellt man mich Montag früh ins Klinikum für eine OP am Mittwoch, weil man ja angeblich sooo viel zu besprechen hat vorher. Und die ganzen Voruntersuchungen erst. Klar, dass man da solch unwichtige Nebensächlichkeiten gerne mal vergessen kann. Vor allem dann, wenn die Antwort auf meine gezielte Nachfrage lautet, da müsse man sich mal schlau machen. Wo ich diese Info denn her hätte. Ja, so läuft das im FBI, einer der weltweit führenden Einrichtungen in Sachen Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen im Allgemeinen und ALS im Besonderen.

Ich weiß, ich bin wirklich schon wieder nur am Meckern. Aber was soll ich auch sonst tun? Sechs verdammte Tage war ich da für einen Eingriff, der normalerweise keine halbe Stunde dauert. Vollkommen ungeplant und unerwartet Fast 7.000,- € für meine Pflege während dieser Zeit bezahlt, was ich beim besten Willen nur als Lehrgeld bezeichnen kann. Ich habe alles perfekt vorbereitet. Die Arztbriefe meiner vorherigen Besuche in exakt derselben Klinik, auf derselben Station, bei den gleichen Leuten, per E-Mail an die Station geschickt und in gedruckter Form dort abgegeben. Den Medi-Plan sogar in mehrfacher gedruckter Form abgegeben. Mitgeteilt, dass ich, wie bei ausnahmslos jedem vorherigen stationären Aufenthalt auch schon, meine eigenen Pfleger dabei habe. Mann, so etwas muss doch aus meiner Akte hervorgehen. Vorab auf die gleichermaßen vielen wie vielfältigen Probleme bei meinen vergangenen Aufenthalten hingewiesen. Handgefertigte Pralinen für 300,- € an die Station schicken lassen. Der Dank dafür? Exakt dieselben lächerlichen Ausreden wie jedes Mal. Wieder hat es nicht einmal geklappt, mir eine adäquate Matratze zu geben. Die könne man erst für mich bestellen, wenn ich aufgenommen wurde und eine Patientennummer vergeben wurde. Ehrlich, ich kann es nicht mehr hören, was eine gequirlte Mäusekacke. Schriftlich liegt mir von meiner letzten Beschwerde vor:

Lieber Herr Ruppelt, ich denke, wir haben dafür eine IT-Lösung gefunden, wie wir bereits vor Aufnahme eine Fallnummer erzeugen und damit die Matratze bestellen können, ich hoffe, beim nächsten Mal läuft dann alles glatt, herzlichen Dank für Ihren Input!

Beste Grüße
●●●●●●●●,

Professor Dr. med. ●●●●●●●●, M.A.
Neurologin, Ernährungsmedizin (DAEM/DGEM)
Friedrich-Baur-Institut
Neurologische Klinik und Poliklinik
LMU Klinikum

E-Mail vom 2. November 2021

So viel dazu. Hat ja super geklappt. Nämlich gar nicht. Hätte mich auch gewundert. Am zweiten Tag ist dann wenigstens ein bisschen was passiert, so hochgradig wichtige Dinge wie ein EKG. Eine Feststellung, dass ich an allen vier Extremitäten gelähmt bin und Probleme bei der Nahrungsaufnahme bestehen. Moment, was war doch gleich der Grund meines Aufenthaltes? LOL. Nichts, was des Berichtens würdig wäre, aber die Wartezeit fühlt sich wenigstens nicht mehr so unsäglich lang an. So. Ich muss jetzt nüchtern bleiben, morgen früh geht’s los. Dann heisst es „PEG… im Bett mit Paddy.“.

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