Video Empfehlung: Universität zu Köln – „Dr. Mark Benecke // Time is up: Hitze, Fluten, Artenschwund“
🌐 https://youtu.be/MubKjrWCg5w
Das Video wurde am 27.06.2025 auf YouTube veröffentlicht.
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zu den „Tagen der Nachhaltigkeit 2025“ konnte die AG Nachhaltigkeit einen ganz besonderen Speaker gewinnen: Dr. Mark Benecke, der als Kriminalbiologe, Spezialist für forensische Entomologie, Autor und Schauspieler bekannt ist.
Mark hat mal wieder ein Update gepostet aus seiner Vortragsreihe „Time is up“, die ich seit mehreren Jahren bewusst verfolge. Bzw. die Uni zu Köln war es in diesem Fall glaube ich, die es gepostet hat. Für meine eigene Umweltschutz Arbeit und um mein Wissen aktuell zu halten sind Marks Vorträge außergewöhnlich wertvoll, da er alle seine Aussagen immer aufgrund von Messdaten tätigt und die Quellen angibt. Somit können sich alle selbst von der Korrektheit überzeugen und eigene Schlüsse ziehen. Und es geht eben um Messungen, nicht um Meinungen. Zugegeben, auch das gefällt mir per se.
Er betont, dass die aktuellen Entwicklungen bei Hitze, Fluten und dem Artensterben nicht mehr als „normale“ Wetterphänomene abgetan werden können, sondern dramatische Auswirkungen auf das Leben auf der Erde haben. Besonders auffällig: In Spanien, Frankreich und anderen südlichen Regionen wurden im Frühjahr 2025 Temperaturabweichungen von über 14 Grad Celsius gemessen – ein Wert, der selbst die Prognosen der Klimamodelle übertrifft. Mark veranschaulicht, wie stark und wie schnell sich die Temperaturen erhöhen und verdeutlicht dies anhand von Beispielen wie Oberflächentemperaturen von bis zu 70°C in Texas und China, die bereits 2024 und 2025 gemessen wurden.
Er schildert persönliche Beobachtungen zum Artenschwund: Früher gab es am Rhein Nächte, in denen so viele Eintagsfliegen unterwegs waren, dass man die eigene Hand nicht mehr sehen konnte. Heute sind selbst die Arten, die mit Hitze und Umweltveränderungen zurechtkommen, stark zurückgegangen.
Und dann sind sie da doch, die persönlichen Anekdoten, man mag behaupten diese Messungen seien anekdotisch. Doch fühle ich mit ihm und ich versichere dir, ich fühle mich bei jeder Anekdote in meine Kindheit vor dreißig, vierzig Jahren zurückversetzt. Dreißig Jahre, in der Biologie ist das nichts. Und doch war da alles anders.
Unter jedem Stein fandest du Asseln. Die Kellerasseln, die gibt es nicht mehr.
Aus dem Boden kamen Regenwürmer sobald es regnete. Vielleicht hießen sie deshalb Regenwürmer. Und was für fette Oschis da teilweise dabei waren. Heute gibt es beides nicht mehr. Weder den Regen noch die Würmer.
Und das mit den Fliegen, Mücken und allen anderen Insekten, die so in der Luft schwirrten, das waren noch Zeiten. Nach einer zweistündigen Autobahnfahrt hast du kaum noch was gesehen, weil Scheibenwischer und Wischwasser nicht mehr hinterher kamen die toten Insekten von der Windschutzscheibe zu kratzen.
Selbst beim Fahrradfahren hast du besser den Mund fest geschlossen gehalten, denn sonst gab es postwendend eine nicht vegane Proteinbombe zwischen die Zähne.
Das mit dem zwischen die Zähne konnte auch schnell unlustig werden. Süßes wie Kuchen, Gebäck, Limo und Säfte musste man nicht nur im Freien schnell gegen Wespen verteidigen. Selbst wenn nur zarte Gänseblümchen blühten bist du besser nicht barfuß auf dem Rasen gelaufen. Könnte sein, dass ich das mal missachtet habe und nun ja, ich kann es der Wespe, Hummel oder Biene nicht verübeln, dass sie zugestochen hat.
Sobald du mal ein umgekipptes Süßgetränk nicht sofort gründlich abgewischt hast, hat sich über Nacht mindestens eine Ameisenkolonie darüber hergemacht. Meine parents können ein Lied davon singen. Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an eine der coolsten Geburtstagsfeiern meines Dads. Und es war Sommer.
Wir trugen die Bar aus unserer Eltern Hobbyraum im Keller nach oben. War eine spontane Aktion, ich erinnere mich als sei es gestern gewesen. Der Bar Tresen besteht aus drei Elementen. Einem langen L-Schenkel, einem kurzen L-Stück und der Mittelecke als Verbindungsglied. Holz. 20. Jahrhundert Holz. Massiv, echt, echt schwer. Das Teil ist mindestens so schwer, wie die geladenen Partygäste beeindruckt waren. Ob wir die Bar auch nach oben getragen hätten, wenn uns das Gewicht vorher bewusst gewesen wäre? Ich hege ernsthafte Zweifel.
Die Feier war ein Bomben Erfolg. Die irritierende Stimme in meinem Kopf sagt mir, dass ich an diesem Abend 84 Cocktails gemixt habe. Da muss ich meine Mum mal fragen, ob das hinkommt. Sie könnte es wissen, schließlich ist sie diejenige, die nachts noch die Spülmaschine eingeräumt hat um schlimmeres zu verhindern. Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Bar und die Terrasse am nächsten Morgen aussahen: schwarz.
Die Bar war überzogen von Millionen und Abermillionen Ameisen. Ameisenstraßen neben Ameisenstraßen, die sich kreuzten und überlagerten. Das Schauspiel zog sich fort und erstreckte sich gefühlt über die halbe Terrasse, um sich sodann beiderseits im Rasen zu verlaufen. Heute nicht vorstellbar. Heute genauso wenig vorstellbar wie bei Ikea tatsächlich ein Möbelstück aus Holz zu finden. Traurig ist das.
Für meine jüngeren Leserinnen und Leser, Holz besteht nicht aus einer Plastikhülle, die mit Pressspan aus illegal gerodeten Urwald Bäumen, Leim und wer weiß was noch für Resten gestopft wird. Holz ist tatsächlich als solches ein hervorragender Natur Werkstoff. Doch wie irgendwie alles, was der Mensch anfasst, ist auch die Nutzung von Holz als Rohstoff völlig außer Kontrolle geraten.
Zu groß ist die Nachfrage nach immer mehr, immer billigeren Möbelstücken. Wo früher noch heimisch bewaldet wurde und zu fairen Konditionen für Waldbauern und Holzverarbeiter – zufällig kenne ich ein großes solches Unternehmen und dessen Inhaberin in BaWü persönlich – gehandelt wurde, da streiten sich heute einige wenige bis einer um den Platz ganz oben. Und der ist in Zeiten von „fast furniture“ nur noch zu bestreiten, wenn man für den europäischen Markt beispielsweise die letzten Urwälder Europas in den Karpaten abholzt.
Wobei mich die Karpaten eher an die Milliarden Versandkartons erinnern, die fortwährend für Amazon produziert werden. Dreimal darfst du raten, woraus die gefertigt werden. Recycling? Nein, sicher nicht. Recycling ist die größte Greenwashing Lüge, die sich die Industrie bis dato ausgedacht hat.
Auwei. Da habe ich jetzt ein Fass aufgemacht…
Die Versandkartons für Amazon werden von verschiedenen Kartonherstellern produziert, die sich auf stabile Wellpappe und recycelbare Materialien spezialisiert haben. Amazon setzt dabei zunehmend auf automatisierte Verpackungstechnologien, die maßgeschneiderte Kartons und Papiertüten direkt in den Logistikzentren herstellen. Diese Maschinen messen die Produkte und fertigen passgenaue Verpackungen an, um Material zu sparen und den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Theoretisch. In Deutschland und Europa kommen mittlerweile Hunderte dieser Maschinen zum Einsatz, die sowohl Kartons als auch leichte Papierumschläge produzieren.
Das Material der Kartons ist laut Amazon vollständig recycelbar. In Europa werden alle von Amazon verwendeten Papiertüten, Pappumschläge und Pappkartons zu 100% aus recycelbaren Materialien hergestellt. Einwegplastik kommt in den Versandzentren nicht mehr zum Einsatz, stattdessen wird auf Papier und Pappe gesetzt. Auch Luftpolsterfolie wurde durch Packpapier ersetzt. Die Verpackungen können über die Altpapiertonne entsorgt und dem Recyclingkreislauf zugeführt werden.
Soweit die Theorie. Marketing Trick gemerkt?
Dass Amazon auch beim Verpackungsmaterial sparen möchte, das möchte ich gar nicht anzweifeln. Inwiefern das Ziel der Nachhaltigkeit erreicht wird, schwierig. Wenn jeder Kleinscheiß einzeln bei Amazon bestellt wird und nun mal irgendwie verpackt und verschickt werden muss, schwierig. Wenn der berühmte USB Stick in einer Schuhkarton großen Pappschachtel verschickt wird… sehr schwierig.
Immerhin ist die Pappschachtel recyclebar.
Moment. Sie ist was? Richtig. Die Amazon Kartons sind nicht etwa nachhaltig weil zur Herstellung recycelter Pappkarton verwendet wird; sondern weil der zur Herstellung verwendete Pappkarton recycelt werden kann. Kleiner, aber großer Unterschied. Recherchen belegen, dass über hundert Jahre alte Bäume aus den letzten Urwäldern Schwedens gefällt und zu Zellstoff verarbeitet werden, der dann auch in deutschen Kartonfabriken landet. Zu den Abnehmern dieser Kartons zählen laut Greenpeace Amazon, HelloFresh und Zalando.
Amazon selbst gibt an, nachhaltige und recycelbare Verpackungen zu verwenden, macht aber keine transparenten Angaben zur genauen Herkunft der Zellstoffe für die Kartons. Es gibt keine öffentlich einsehbaren, detaillierten Lieferkettennachweise, die ausschließen, dass Holz aus alten Wäldern verwendet wird. Das als nachhaltig zu verkaufen ist in meinen Augen schlicht Betrug.
Und so schließt sich der Kreis(lauf). Oder eben nicht. Leider.
Angesichts überall sichtbarer Klimakatastrophe ist es geradezu irrwitzig mitanzusehen, dass wir unsere letzten Urwälder abholzen, um daraus billige Versandkartons für Amazon & Co. zu produzieren. Mit der Kreislaufwirtschaft, die wir brauchen und auf die auch Mark in seinem grandiosen Vortrag immer wieder eingeht, hat das… leider nichts mehr zu tun. Ein Grund mehr, die Time is up Vortragsreihe zu empfehlen. Umso eher ein Umdenken stattfindet, umso weniger scheiße wird es werden.