Spannendes Spiel. Hochspannung bis zur letzten Minute. Überlebt der Patient? Überlebt er nicht? Geht das Spiel in die Verlängerung? Gerade keine Pflegekraft im Strafraum und die 30 Sekunden Verzögerung waren 10 Sekunden zu viel. Notfall-Bronchoskopie. Den Schleim, der in die Lunge gerutscht ist, irgendwie wieder raus kriegen. Soll heißen, dem Patienten, der sowieso schon kaum Luft bekommt, die Beatmung rauben. Kamera in den Hals schieben, bis in beide Lungenflügel damit. Absauger einschalten und Saugen, was das Teil her gibt. Hatte ich vier Mal in meinem ereignisreichen Leben. Das reicht. Aber mein Leben geht sicher noch öfter in die Verlängerung. Bisher ging es immer gut. Bisher. Hoffen wir, das ich mich noch länger vor dem Elfmeterschießen drücken kann. Wenn es für einen ALS Patienten wie mich zum Finale kommt, ist das möglicherweise endgültig. Vielleicht auch wünschenwerterweise. Wer weiß, was dann noch vom Schweizer Käse übrig ist.
Ich lebe mit einer Magensonde. An Festtagen wie dem heutigen Silvester sehe ich Freund*innen und Familie beim Festschmaus zu. Derweil tröpfeln Flüssigkeit und Nährstoffe mit 120 ml pro Stunde durch ein Loch in meinem Bauch direkt in meinen Magen. Ich bekomme davon nichts mit. Ich schmecke nichts mehr. Außer bei einem Reflux, wenn der Mageninhalt in die falsche Richtung läuft. Kotze schmecke ich.
Wenn es in die richtige Richtung läuft, läuft es trotzdem nicht so richtig. Der Abfluss funktioniert nicht mehr. Deshalb hab ich noch ein weiteres Loch im Bauch. Etwas weiter unten. Pufi heisst das Teil. Angeber sagen SPBK dazu. Betonen, dass das für suprapubischer Blasenkatheter steht. Ganz besonders schlaue ergänzen gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit, dass die Abgrenzung zur nicht-invasiven Variante ein Katheter ist, der mir durch den Penis in die Blase geschoben wird. Hatte ich vorher. War scheiße beim Sex. Spontan is nich. Ziehen ist nicht so das Problem. Aber nach dem Akt muss das Teil wieder irgendwie rein. Und das ist ein ziemlicher Akt.
Scheiße ist ein gutes Stichwort. Das mit dem Abführen mag auch nicht mehr. Ein Zäpfchen mit Abführmittel. Ein Klistier hinterher schieben, weil das Zäpfchen selten machtvoll genug ist. Falls dir Klistier nicht geläufig ist, im Prinzip ein Einlauf. Flüssigkeit mit einer Spritze in den Hintern pumpen, damit die Sturmflut im Darm alles in die Windel drückt. Ich empfehle, im Bett eine Einmalunterlage drunter zu legen. So einiges bekommt man mit dieser Methode raus. Den Rest kannst du dir mit dem Finger rauskratzen lassen. Es gibt keine andere Methode, um sauber zu sein. Ist dir aber zu unangenehm, darum zu bitten. Du weißt aus erster Hand, dass manch Pflegekraft nicht einmal Verständnis hat für die eigenen Kolleg*innen, die das machen. Nein, fragen würde ich nie. Deshalb bist du die meiste Zeit deines Lebens dreckig.
Wirklich dreckig geht es mir aber erst, wenn die Atmung Probleme macht. Früher konnte ich wenigstens das Gefühl verbessern, indem ich schneller geatmet habe. Bei einer Atemmaske konnte ich mit dem Mund ein Leck vortäuschen. Die Beatmung hat dann sofort Luft gegeben. War toll. Hat so manche Panik verhindert. Und so manche Atemnotlage erträglicher gemacht. Seit ein paar Tagen habe ich aber zu allem Überfluss noch ein Loch mehr im Körper. Ich habe mir eine Trachealkanüle legen lassen. Aus Gründen. Jetzt geht die Lüft durch ein Loch in meinem Hals, fast in der Brust eigentlich, direkt in die Lunge. Da ist nichts mehr mit Triggern, wie das Auslösen Beatmungsstoßes genannt wird. Ich atme maximal das, was die Maschine vorgibt. Zwölfmal Einatmen in der Minute sind das bei mir. In jeder Minute. Jede Minute. Es interessiert die Maschine nicht, ob ich außer Puste bin. Ob ich Atemnot habe. Ob ich eine Panik habe. Zwölf Atemzüge erlaubt sie mir. Minimal und Maximal. Mein Wille ist nichts mehr wert. Mein Geruchssinn übrigens auch nicht. Mit Kanüle riecht man nichts mehr. Hat mir niemand gesagt.
So viel Beruhigungsmittel in so krasser Dosierung und Darreichungsform habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gebraucht, um nicht vollkommen auszurasten. Fünfmal 1 mg Tavor i. V. hintereinander. Nicht die bekannten Tabletten, sondern als Injektionslösung. Direkt in die Blutbahn gespritzt. Sofortige Wirkung. Empfohlene Höchstdosis laut Hersteller 0,5 bis 2,5 mg pro Tag. Ich brauchte fünf. Und das, obwohl ich in der besten denkbaren Umgebung war. Auf der Intensivstation mit wirklich kompetenten Pfleger*innen, Ärzt*innen, Therapeut*innen. Dazu hatte ich meine eigenen Pflegekräfte dabei. Ich hätte mich in Sicherheit wiegen können sollen.
Ich kann nur mit meinen Augen kommunizieren. Im besten Fall über meine Augensteuerung und die Sprachausgabe am Computer, auf den ich Tag ein, Tag aus, draufstarre. Zumindest in der Theorie. Ich schreibe all das hier mit meinen Augen. Ich bin echt gut darin. Wenn aber mal wieder Sekret am Ballon der Kanüle vorbei läuft, oder noch einfacher zum bildhaft vorstellen, wenn sich Schleim in den unteren Atemwegen bildet und so richtig scheiße in die Lunge rutscht… da funktioniert die Sache mit der Augensteuerung nicht mehr. Da kannst du deine Augen nicht mehr auf die winzigen Buchstaben fokussieren. Das funktioniert schon nicht mehr, wenn ich während einer Inhalation schlecht Luft bekomme, weil sich mal wieder viel Schleim gelöst hat. Ich treffe in der Aufregung die Tasten nicht. Kann nicht einmal „stop“ schreiben.
Wenn mir Sekret in die Lunge rutscht und ich mich in einer lebensbedrohlichen Lage befinde, da funktioniert nichts mehr mit dem Computer. Da muss ich mich darauf verlassen können, dass die mich pflegenden meine Augensprache uneingeschränkt verstehen. Nicht in fünf Minuten, da bin ich tot. Nicht in zwei Minuten, da könnt ihr mich wiederbeleben. Willkommen beim Elfmeterschießen. Nicht in dreißig Sekunden, da kannst du ein Team von Ärzt*innen zur Bronchoskopie rufen. Willkommen in der Verlängerung.
Falls du mir diese lebenunwürdige Scheiße ersparen willst, musst du meine Augen lesen können. Das kann ich nicht von einer Klinikkraft erwarten. Wie auch? Das geht nicht von heute auf morgen. Das klappt ja nicht mal jeder Pflegekraft aus meinem eigenen Team reibungslos. Aber zumindest so, dass ich es überlebe. Klingt überzogen, so, wie ich das formuliere. Ist jedoch mein Ernst. Ich erinnere mich zurück, denke an eine bestimmte Situation im Krankenhaus, doch breche den Gedanken ab. Versuche es. Scheiße, verdammt, denk an was anderes. Atemnot. Zu spät. Kacke.
25 Minuten später.
Ich musste das Schreiben unterbrechen. Mein Puls rast noch immer. Schrecklich. Wir haben gehustet, abgesaugt, inhaliert, abgesaugt, gehustet, abgesaugt. Kaum spürbare Veränderung. Ich stehe neben mir.
Meine Gäste haben fertig gespeist. Meine wunderhübsche Freundin schenkt allen Wein nach. Meinen Freund*innen, meinen Eltern, sich selbst. Na ja. Fast allen. Ich bekomme Opiate i. V. gespritzt. Die Schmerzen an der Kanüle sind zeitweise selbst für meine Verhältnisse unerträglich. Wäre nicht so tragisch, wenn an mir mehr dran wäre. Wenigstens ein bisschen Gewebe. Ist es aber nicht. Wären die Fäden nicht eingewachsen, hätten diese nicht operativ entfernt werden müssen, hätte man die Wunde nicht wieder aufreißen müssen, wäre nicht zwischenzeitlich schmerzendes Wildfleisch gewachsen, wär auch halb so schlimm. Ist es aber nicht.
Wenn wir nicht mit dem Stillen von Schmerzen beschäftigt sind, saugen wir ab, kümmern uns um die Wundversorgung, saugen ab, husten, saugen wieder ab und stellen fest, wir hätten mich zweks Dekubitusprophylaxe vor einer Stunde bereits lagern sollen. Aber hier kommst ja zu nix. Mein Pfleger im heutigen Nachtdienst ist non-stop mit mir beschäftigt, während meine Besucher feiern. Ich bin mittendrin und doch nicht dabei. Wenn ich mir vorstelle, wie es ohne eigene Pflegekraft wäre, die ausschließlich für mich da ist, unvorstellbar.
Das habe ich mir in den vergangenen Wochen und Monaten häufiger gedacht. IPReG und RISG lassen grüßen. Unser ehemaliger Gesundheitsminister, der werte Herr Spahn, hatte seinerzeit einen menschenverachtenden Gesetzesentwurf eingebracht. Wenig verwunderlich, dass er damit keinen Erfolg hatte. Sehr verwunderlich, dass die folgende Ampelregierung daran festhält. Als ob Herr Lauterbach mit seiner Corona-Politik nicht genug in die Geschichte eingehen würde. Nach unzähligen Revisionen ist es nun Gesetz. Vielleicht nicht mehr so menschenverachtend wie zu CDU/CSU Zeiten, aber noch immer menschenunwürdig. Kurzum: Die 1:1 Intensivpflege soll verschwinden.
Da klingeln bei Betroffenen alle Alarmglocken. Ich habe gerade vier Wochen des direkten Vergleichs am eigenen Leib hinter mir. Also, so halb. Korrigiere, zu einem Drittel, eigentlich.
Daheim lebe ich bisher in einer 1:1 Versorgung. Bei mir ist immer eine Pflegekraft, die entsprechende Erfahrungen mit vollbeatmenden ALS Patienten hat und exklusiv für mich da ist. Das kostet eine Menge Geld. Verständlich, dass das Gesundheitsministerium diesen Kostenberg verkleinern möchte. Die Lösung soll sein, Patienten in Wohngemeinschaften abzuschieben. Denn dort wird mit einem 1:3 Pflegeschlüssel gearbeitet. Das kostet viel weniger. Da müssen auch nicht alle so viel Erfahrung haben. Man kann ja die Kolleg*innen fragen. In der Theorie wären selbstverständlich alle qualifiziert. Das ist aber nicht einmal in der häuslichen Intensivpflege der Fall, wo „die besten der besten“ Pflegekräfte arbeiten. Alles darüber hinaus ist weltfremdes Wunschdenken.
Was das für Patienten wie mich bedeuten würde, das kann ich nur erahnen. Aber ich habe jetzt den Vergleich mit einer wirklich guten 1:2 Versorgung. Bedingt durch die vielen Baustellen des Schweizer Käses – neuer Pufi, neue Trachealkanüle, eingewachsener Zehennagel, tägliche massive Atemnot, amok laufender Magen-Darm-Trakt, taubem rechten Ohr – und die Komplikationen – eingewachsene Nähte am Stoma und am Pufi, undichte Kanüle und notwendiger Wechsel, Einsatz der falschen Kanüle und daraus sich ergebender erneuter Wechsel der Kanüle, diagnostiziertes Wasser sowohl in der Lunge als auch unter der Lunge, Funktionsstörung des Pufis – habe ich gerade vier Wochen Intensivstation hinter mir. Dort wird mit einem Pflegeschlüssel von 2:1 gearbeitet. Das ist noch patientenfreundlicher als das, was die Bundesregierung mit uns machen will (3:1).
Ich möchte ganz, ganz deutlich betonen, dass ich dort in der Kreisklinik Wolfratshausen spitzenmäßig versorgt wurde. Es ist mir wichtig, das zu betonen, damit kein falsches Bild entsteht bei dem, was ich gleich sagen werde. Es war mit Abstand der beste Krankenhausaufenthalt meines Lebens. Aber… aber… ohne meine eigene 1:1 Pflege… ich wäre vielleicht irgendwann wiederbelebt worden. Oder tot.
Ja. Das ist mein Ernst. Ganz sicher wäre meine Lebensqualität gegen Null gegangen. Ganz sicher hätte mein Lebenswillen sehr stark gelitten. Ganz sicher wäre das Grund genug, um eine solche Art der Versorgung für rechtswidrig zu halten.
Es gibt mittlerweile Musterschreiben dazu, die einer aufgezwängten derartigen Versorgung widersprechen.
Ich kenne aber kein Muster, das unsere Lage, die Situation eines Betroffenen vermittelt. Entweder ist es Bürokratendeutsch, das zwar inhaltlich korrekt ist, aber keinen echten Gehalt hat. Oder es sind überzogen wirkende Schilderungen, die an Polemik grenzen. Mitunter sind die Aussagen genauso beleidigend gegenüber Personen des öffentlichen Lebens wie das Gesetz selbst. Das bringt uns alle nicht weiter. Damit ist keinem geholfen.
Das Problem ist, dass Ärzt*innen und Krankenkassen an das Gesetz gebunden sind. Und dem Gesetzgeber, seien es ein Herr Lauterbach, ein Herr Spahn oder andere an der Gesetzgebung Beteiligte, unterstelle ich Unwissen. Nicht böse sein. Ist kein Affront.
Ja, natürlich wäre es deren Job, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aber da hat sich doch niemand jemals 24 Stunden neben einen ALS Patienten gesetzt und sich ein Bild davon gemacht, was es bedeutet, auf eine 1:1 Versorgung angewiesen zu sein. Ob im Krankenhaus, daheim oder in einer Pflege-WG. Spielt keine Rolle. Ich brauche immer und zu jedem Zeitpunkt eine 1:1 Versorgung. Sogar im Rettungswagen. Und es gibt ja auch so scheiß viele schlimme Krankheiten. Keine ist wie die andere. Und keine ALS ist wie die andere. ALS ist obendrein eine seltene Erkrankung. Statistisch unbedeutend.
Wie könnte man da erwarten, dass sich ein Gesundheitsminister damit auskennt und vernünftige Vorgaben zur Kostenübernahme durch Kranken- und Pflegekassen macht? Da müsste schon mal ein betroffener Patient zeigen, wie so ein Tag mit 24 Stunden aussehen kann. Da müsste schon mal ein betroffener Patient zeigen, warum für ihn eine 1:1 Versorgung kein Luxus, sondern überlebenswichtige Notwendigkeit ist. Müsste, müsste, hätte, hätte, Fahrradkette. Wer sollte das machen? Ich habe gar kein Fahrrad.
Nein. Darauf ruhe ich mich nicht aus.
Ab jetzt gibt es keine Ausrede der Unwissenheit mehr. Ich bin mir sicher, dieser meinige Beitrag wird über die unergründlichen Wege des Internetzes seinen Weg ins Ministerium unseres Gesundheitsministers finden.
Bitteschön, hier sind sie, die 24 Stunden im Leben eines ALS Patienten, der vier Wochen auf der Intensivstation (2:1) lag und seine eigenen Pflegekräfte (1:1) dabei hatte. Es sind nicht alle Tage so. Es war Zufall, dass ich einen Tag dokumentiert habe, der nicht gerade ruhig war. Aber, und das ist der springende Punkt, der Tag war auch nicht ungewöhnlich geschäftig. Es sieht in der Retrospektive selbst für mich übertrieben aus. Aber am Ende des Tages war das für mich ein Tag wie jeder andere. KbV. Keine besonderen Vorkommnisse. Die Probleme mit dem Stuhlgang haben den Tag etwas in die Länge gezogen. Normalerweise gehe ich zwischen zwei und drei Uhr schlafen. Aber auch diese Ausreißer aufgrund von Kack-Problemen kommen alle paar Tage vor. Ich habe einfach nur, Hand aufs Herz, plus minus fünf Minuten aufgeschrieben, was an diesem Tag passiert ist. Für die Richtigkeit und Wahrheit stehe ich mit meinem Leben ein. Du bekommst hier einen Einblick in mein Leben, den du so noch nie bekommen hast.
Um es so nah am Leben zu halten wie möglich, füge ich hier einfach meine Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus ein. Unverändert. Ich werde keine Tippfehler korrigieren, die technischen/militärischen Zeitstempel nicht in schöner lesbare Uhrzeiten umschreiben, keine schöne Tabelle daraus machen.
Weil… na ja, um ehrlich zu sein, hab Nachsicht mit mir. Es ist Neujahr, ich schreibe all das hier mit meinen Augen, während mein Pfleger versucht, den turnusmäßigen Austausch der Schläuche meiner Beatmung fertigzustellen. Ich ihn immer wieder unterbrechen muss, weil ich ganz plötzlich dringend husten oder absaugen muss oder beides oder wieder Schmerzmittel brauche. Während meine Freundin neben mir im Bett liegt und glücklicherweise selbst arbeitet. Sonst würde sie mich wahrscheinlich aus meiner eigenen Wohnung werfen. Keine zehn Minuten am Stück gemeinsamer Zeit haben wir, weil dauernd irgend etwas ist. Und Zeit alleine, das kann ich mir abschminken. Selbst nachts liegt mein Pfleger im Gästebett neben uns. Zu groß die Gefahr, dass unerwartet eine lebensbedrohliche Situation eintritt, in der sofort gehandelt werden muss. Nein, 1:1 Versorgung ist nichts, was ich mir gewünscht habe. Es ist das geringste Übel, um zu überleben und zu leben.
Und Leben, am Ende des Tages tue ich das trotzdem.
Es ist Silvester, 23:39 Uhr. Mein erstes Silvester ohne einen einzigen Tropfen Alkohol. Mir ist nicht danach. Ich will einfach nur richtig Luft bekommen und schmerzfrei sein. Ich lasse mir deutlich mehr Piritramid als üblich spritzen, ein sehr starkes Schmerzmittel. Und bin endlich schmerzfrei und mit der Luft wird es langsam besser. Jetzt beginnt für mich die Party, die aufgrund der wunderbarsten Gesellschaft, die man sich schöner nicht wünschen kann, doch noch zu einer der schönsten Silvesternächte für mich werden sollte. Und einem deutlich ausgeschlafenerem Neujahrsmorgen Schrägstrich Mittag, als mir das in der Klinik gegönnt wurde. Da fing jeder Morgen mit einer Blutgasanalysa (BGA) an, zu der munter in deinem Ohr rumgestochen wird nis es aufs Kopfkissen blutet, um daraus den CO2 Gehalt im Blut zu bestimmen…
630 BGA, Absaugen, Lagern
800 Medikamente aufziehen, bilanzieren, Lagern
900 Visite, dabei unterstützen
0910 währenddessen Notfall, lt. Maschine nur 100ml Atemvolumen, sofortiges Absaugen (hier geht es um Sekunden, um den vollständigen Atemstillstand und notwendige Reanimation abzuwenden)
925 dokumentieren
930 Lagern
940 Übergabe
1000 Kurze Katzenwäsche Gesicht
1015 Lagern zum Abführen
1020 Medikamentengabe
1030 Medikamentengabe
1035 Zubereitung Sondenkost, Bilanzierung
1040 Gabe per Bolus
1045 Absaugen
1050 Coughen, Absaugen
1055 Vorbereitung beider Inhalationen
1100 Probleme rechtes Auge, mehrfaches Spülen, Augentropfen
1115 Kaffee holen, aufziehen, bilanzieren, verabreichen
1120 Notfall Coughen und Absaugen wegen plötzlicher Atemnot (hier geht es um Sekunden, um eine Panikattacke abzuwenden)
1125 Inhalation Medikamente
1135 Absaugen, Coughen, Absaugen
1140 Schmerzanfall an Kanüle nach supraglotischem Absaugen, Dipi i. V. verabreicht
1143 Dokumentation, insbesondere da BTM
1145 Inhalation NaCl
1150 COVID Test
1155 Absaugen, Coughen, Absaugen
1200 Hilfsmittel reinigen, verschleimte Schläuche tauschen
1215 Ohrentropfen und Nasentropfen wg. Entzündung
1230 während Einwirken der Tropfen auf mich aufpassen, da Kopf auf links gedreht (keine Kommunikation)
1235 Telefonat mit meinen Eltern wegen voraussichtlichem Transport morgen
1245 Nase läuft ständig, geputzt und nasal abgesaugt
1255 Lagerung verändert, da Sitzhöcker schmerzen
1300 Medikamente vorbereitet, bilanziert, verabreicht
1305 Sondenkost vorbereitet, bilanziert
1315 erneut Probleme mit Auge, gespült
1320 Unterbrechung für Blutabnahme wegen Kaliummangel
1330 planmäßiges Ziehen Braunüle
1335 Gabe Sondenkost
1340 endlich zum Säubern Stuhlgang gekommen
1345 unterbrochen für Absaugen
1350 festgestellt, dass Stuhlgang nur gelber Schleim ist, für Arzt dokumentiert
1355 gesäubert, zweiter Versuch
1405 Augensteuerung hat sich aufgehängt
1415 Fentanylpflaster gewechselt und dokumentiert (BTM)
1420 BGA, neuen Zugang gelegt
1435 Absaugen
1440 Wundversorgung rechtes Ohr
1455 Rasieren erste Hälfte (sehr zeitaufwendig, da jede noch so kleine Halsbewegung zu unvorstellbaren Wundschmerzen führt und immer wieder unterbrochen werden muss)
1520 Sondenkost vorbereitet, bilanziert, verabreicht
1530 zweiter Teil Rasur
1555 zweimal abgesaugt
1605 Arztgespräch, heutige oder morgige Entlassung verschoben auf frühestens übermorgen
1625 Absaugen
1630 Dienstplanung (Umplanung wegen verschobenem Entlassungstermin, bei Transport sind zwei Pflegekräfte nötig)
1645 Lagerung, sauber gemacht, Abführen erfolglos
1655 Mund- und Zahnpflege (ja, jetzt erst, war einfach keine Zeit bisher)
1720 Medikamente vorbereitet, Mörser verklebt, neuen Mörser und neue Medikamente organisiert
1730 erneut Medikamente vorbereitet, bilanziert, verabreicht
1740 Wunde von neu angelegtem Pufi versorgt´(zeitintensiv, da noch frische Wunde steril versorgt werden muss)
1800 Espresso doppio aus Cafeteria, der mittlerweile kaltbist, aufgezogen, bilanziert und verabreicht
1805 Sondenkost vorbereitet und bilanziert
1806 Medikamentengabe i. V. vom Krankenhaus
1809 Nahrung verabreicht
1810 unterbrochen für Absaugen, zu spät, Kissenbezug gewechselt
1820 zweiter Versuch, Nahrung verabreicht
1825 Grundpflege begonnen, ausgezogen
1830 dabei inhaliert, dafür zunächst Medikamente besorgt (von Krankenhaus, wegen Verordnung strenger Bilanzierung
1835 Bilanz mit Klinikpersonal abgeglichen
1840 Inhalation gestartet, warmes Wasser für Grundpflege geholt weil mittlerweile so eiskalt wie der Cappuccino meiner Pflegekraft, der um kurz vor 17 Uhr aus der Cafeteria gebracht und seitdem nicht angeangerührt wurde
1842 Akute Atemnot, Sauerstoff 2 Liter angeschlossen
1845 Grundpflege rechter Arm, dazu Monitoring Blutdruck und Puls abgenommen (siehe Foto)
1848 Grundpflege Brust und Bauch (zeitaufwendig, da EKG, PEG, Pufi, Katheter; siehe Foto)
1850 neuen Ausschlag/Pusteln auf Brust dokumentiert
1850 Absaugen, Coughen, Absaugen, Atemnot bleibt
1855 Pflegekraft zur Frühstückspause gezwungen. Denkbar ungünstiger Zeitpunkt, aber sichtlich so erschöpft, dass alles andere noch weniger Sinn ergäbe
1905 Keine 10 Minuten später bricht Pflegekraft ihr Essen ab, da meine Atmung zu instabil wird (insbesondere Atemvolumen zu niedrig). Absaugen, Coughen, Absaugen, erneutes exzessives Coughen, nochmals abgesaugt. Keine nennenswerte Besserung
1920 Konzentrierte 3% NaCl Inhalation vorbereitet und angehängt
1925 Grundpflege: linken Arm gewaschen (Vorsicht geboten wegen Zugang; siehe Foto)
1927 PEG mobilisiert, Verbandswechsel
1930 Absaugen, Coughen, Absaugen, mäßiger Erfolg, Sauerstoff belassen
1935 Grundpflege: rechtes Bein, schon wieder abgesaugt, rechte Körperhälfte gelagert
1940 Wundversorgung operierter Zeh
1941 unterbrochen, da plötzlich großer Druck auf Bauch und wieder akute Atemprobleme, zum Abführen gelagert (dritter Versuch heute), Abführmittel organisiert (Bilanzierung)
1950 unterbrochen für Coughen und Absaugen wegen Atemnot
2000 nächsten Super GAU durch eigene Pflegekraft verhindert, da Krankenhaus mein übliches AbAbführmittel nicht mehr vorrätig hat und das ausgegebene Alternativpräparat auf Sojabohnen basiert, wogegen ich bekanntermaßen höchst allergisch bin (reagiere auf kleinste Mengen mit Atemnot, genau das Richtige in diesem Moment)
2020 da Krankenhaus kein anderes Zäpfchen auftreiben kann, aus eigenem geheimen Vorrat von daheim genommen
2020 rechtes Auge wieder verklebt, mehrfach gespült
2025 bis 2110 Stoma Pflege und Verbandswechsel, aufwendiges steriles Arbeiten nötig da frische, noch blutende und eiternde Wunde (ein Schmerzniveau, das ich in 44 Lebensjahren nicht annähernd erfahren habe, das ist ernsthaft nicht in Worte zu fassen). Vermutlich durch Mobilisation plötzliche Sekretansammlung in Kanüle, Atemvolumen fällt rapide und ausgerechnet in diesem Moment fällt Augensteuerung aus. Kein Scherz. Beenden aller laufender Anwendungen und ungewollter Computerneustart stehen im Systemprotokoll. Verständigung, dass ich sofort eine Absaugung brauche und ungewöhnlicherweise unbedingt kein Coughen (weil das alles in die Lunge drücken und verschlimmern würde) kann deshalb ausschließlich über vereinbarte Augensprache erfolgen. Mit Klinikpersonal undenkbar. Wegen Schmerzen nach Wundreinigung starkes Schmerzmittel (Dipi) von Klinikpersonal angefordert und i. V. verabreicht. Danach kurze Verschnaufpause für uns beide, war selbst für uns perfekt eingespieltes Team eine grenzwertige Situation. Ich hatte vorgestern erst eine Bronchoskopie, kann gerne die nächsten zwölf Monate auf so etwas verzichten. Smalltalk, das erste Mal so richtig heute, während wir auf Nachtdienst warten.
2110 fließende Übergabe „nebenbei“, da Tagdienst heute praktisch noch nichts dokumentieren konnte
2120 Zubereitung Sondenkost, Bilanzierung, Verabreichung
2130 Wundversorgung Zeh, Verbandswechsel
2150 auch dritter Abführversuch erfolglos, sauber gemacht, gelagert
2205 Absaugen
2210 Inhalation Medikamente
2220 Absaugen, Coughen, Absaugen
2230 Inhalation NaCl 0,9% (Standard)
2240 Absaugen, Coughen, Absaugen
2245 -2335 ich brauch ne Pause, Zunge fällt nach jedem Absaugen zwischen die Zähne, sichtliche Erschöpfung. Ich habe seit heute Mittag keine WhatsApp Nachrichten beantwortet und schicke eine copy & paste Standardnachricht an alle. Pflegekraft räumt auf und putzt Arbeitsflächen und isst was.
2335 Pause unterbrochen für Absaugen
2340 Kopf auf linke Seite gedreht zur Anwendung der Ohrentropfen wegen Entzündung, während Einwirkzeit beobachtet aus bekannten Gründ
0005 Absaugen
0010 0120 Pause ,
0120 Absaugen, Kopfposition korrigiert da Ohr schmerzt (ach ja, da hab ich neben der Außenohrentzündung auch noch eine offene Wunde vom Liegen am Ohrläppchen und einen Dekubitus unterhalb des Ohrs (Überbleibsel der Bänder meiner NIV Masken)
0125 Harndrang und Spontanstuhlgang, wieder nur gelber
0145 Schmerzen an Wundstelle am Hals, starkes Schmerzmittel angefordert und i. V. verabreicht
0155 sehr flüssiger Stuhlgang plötzlich, notdürftig Einmalunterlage druntergelegt in letzter Sekunde
0235 Absaugen, Stuhlgang gesäubert
0245 Absaugen, Husten, Absaugen
0245 Medikamente vorbereiten
0250 Lagerung zum Schlafen
0300 Absaugen, Husten, Absaugen
0310 Medikamentengabe
0315 bis 0330 wegen unfassbar nervigem Röcheln im Hals nochmals lange gecought, abgesaugt, schlussendlich hat die Müdigkeit gesiegt und ich bin mit Röcheln eingeschlafen
0330 bis 0430 Pflegekraft räumt auf, putzt (habe ich noch mitbekommen) und dokumentiert´(nehme ich an, Licht am Tisch war so lange an)
0430 Lagerung
0600 Lagerung
0640 jeden Tag das gleiche Spiel, Krankenschwester vom Krankenhaus kommt zur Tagesbesprechung und schmiert mein Ohr mit Finalgon ein (Vorbereitung für BGA)
0705 BGA
0730 Lagerung
0800 Medikamente vorbereitet und verabreicht
…und nimmt ein weiterer Tag seinen gewohnten Lauf.