Selten habe ich nur Positives über einen Arzt, eine Praxis, eine Ambulanz oder Klinik zu sagen. Das mag an meinem persönlichen hohen Anspruch liegen. Aber der Punkt ist, dass es ja durchaus möglich ist, meinen Ansprüchen gerecht zu werden. Und zwar unangestrengt, wie eine Selbstverständlichkeit. Für weniger Geld, als andere von dir wollen, die dir beim Überbringen der Diagnose ALS weder in die Augen schauen noch erklären, was das bedeutet. Ich werde nie vergessen, wie man mir bei der normalen täglichen Visite im Dreibettzimmer kurzum sagte, ich hätte eine neurodegenerative Muskelerkrankung, von der man zu wenig wisse, um etwas dagegen unternehmen zu können. Ich bekäme ab sofort Riluzol, Vitamin C und Kreatin. Letztere zwei müsse ich im Fitness-Store oder so besorgen. Ach, und ich solle nicht alles glauben, was Dr. Google behauptet. Man werde mir dann noch entsprechende Kontakte vermitteln, auch für eine psychologische Betreuung.
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Das es auch anders geht, zeigt meine Erfahrung mit dem RKU in Ulm. Damals wollte ich mich mit einer kompetenten Zweitmeinung davon überzeugen lassen, dass ich wirklich Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) habe. Ich bin nunmal von Natur aus, wie soll ich sagen, ich denke sehr wissenschaftlich und extrem schwarz-weiß. Menschen sind mir ziemlich Latte. Genau wie Meinungen. Ich glaube an Dinge, die ich messen oder beweisen kann. Eine Diagnose, die mit „Verdacht auf“ anfängt, von einem (charismatischen) Herzchirurgen gestellt und mir wenig überzeugend vom gelangweilten Prof ermittelt wird, passt nicht in mein Weltbild. Ich brauchte jemanden mit echter Fachkompetenz auf dem Gebiet. Infrage kamen nach einiger Recherche die Charite in Berlin oder namentlich Prof. Ludolph in Ulm. Ulm ist für mich deutlich näher. Und frag mich nicht wieso, irgendwie total sympathisch. Vom ersten Telefonat, bei dem man schon Fragen beantwortete, ohne einen genervten Eindruck zu vermitteln, bis zur Terminvereinbarung. Sogar die klappte reibungslos, obwohl ich unbedingt in die Privatambulanz vom Prof wollte. Obwohl er „der ¨Mann“ schlechthin ist für die Diagnose und Behandlung von ALS, zahlt die liebe AOK nicht. Zu schade. Also vereinbarten wir Selbstzahlung. Ich gehe lieber einmal zum Fachmann und zahle selbst, als dass ich fünf weitere Ärzte treffe, die mir nicht in die Augen sehen kann.
Der erste Eindruck in der Ambulanz bestätigte meine kühnsten Hoffnungen. Sauber, geschäftig, aber ohne spürbare Hektik. Organisiert, kompetent, vorbereitet. Schon bei der Anmeldung hatte man eine fertige eigene Krankenakte über mich zur Hand. Sie enthielt sämtliche Unterlagen, die ich vorab hingeschickt hatte. So etwas ist mir noch nie passiert. Das Friedrich-Baur-Institut hat ja nicht einmal bei mehrtägigen stationären Aufenthalten die eigenen Unterlagen vom letzten Besuch. Obwohl ich die jedes Mal vorab per E-Mail hin schicke. Angeblich habe man keinen Zugriff, aus Datenschutzgründen. Hätte sich dort irgendwer mal ernsthaft mit mir beschäftigt, wäre bekannt gewesen, dass ich nicht nur gerne Recht verdrehe, sondern auch geprüfter Datenschutzbeauftragter bin. Wenn ich das erwähne sind immer alle plötzlich ganz kleinlaut. Sowas von peinlich.
In Ulm, ein Unterschied wie Tag und Nacht. Prof und mich vorab untersuchender Arzt kannten meine Vorgeschichte. Meine DVD vom MRT hatten sie sogar einem Spezialisten für Wirbelsäulenschäden gezeigt, um einen möglichen Zusammenhang mit den nicht gerade wenigen Protusionen ausschließen zu können. So gut vorbereitet habe ich nie wieder jemanden erlebt.
Die Herangehensweise fand ich beeindruckend. Der Kollege Dr. Witzel untersuchte mich als erstes. Auf den ganzen technischen Schnickschnack wurde verzichtet. Die Daten lagen vor und waren bekannt. Es gab keinen Grund, diese anzuzweifeln. Ich habe nie verstanden, aus welchem Grund alle anderen ihr eigenes EMG gebraucht haben, eine verdammicht nochmal schmerzhaft unangenehme Sache. Kamen alle zum selben Ergebnis. Wer hätte das gedacht. Nein, hier wurde gefühlt, getastet, ausprobiert, beobachtet und, etwas nie dagewesenes, gesprochen und zugehört. Plötzlich wollte jemand genau wissen, was ich mit Problemen beim Sport meine. Beim Laufen? Wie genau, welcher Untergrund, was für Schuhwerk, kannten Sie die Strecke? Sowohl Dr. Witzel als auch Prof. Lodolph untersuchten mich physisch als auch, wie beschreibe ich das? Ja, sie waren die ersten, die eine richtige Anamnese erstellten. So eine valide persönliche Erhebung, dazu technische Untersuchungen, Labore und Befunde fünfer anderer Neurologen nebst zahlloser anderer Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen und was da noch so alles kreucht und fleucht. Und die geballte Ladung an Können, Wissen, Erfahrung jahrzehntelanger Forschung und Behandlung von ALS. Und alles wird in den Schatten gestellt von der emphatischen Aura des Profs. Und nein, ich bin nicht auf Droge. Hab nicht mehr Gras geraucht als sonst auch. Es ist wirklich so. Er hat etwas an sich, sagen wir mal so, du gehst nach weniger als drei Stunden raus und bist überzeugt, du hast jetzt die Gewissheit. Und doch bist du ein glücklicherer Mensch, als drei Stunden zuvor. Schizophren, nicht wahr?
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Was mich der Spaß eines solchen Termins gekostet hat? Nun, ich sag mal so, meine Kunden zahlen mehr für meine Beraterstunde, als mich der gesamte Termin in Ulm gekostet hat. Deutlich mehr. Eines ist mal sicher, reich wird da keiner. Prof. Ludolph und sein Team engagieren sich nicht des Geldes wegen so wahnsinnig, sondern aus Überzeugung. Ich zolle allen meinen allergrößten Respekt.