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Die Stimmen von Expert*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen – die COP30 ist besser als ein komplettes Scheitern (3. Teil)

5. Expertinneninterview: Claudia Kemfert, Klimaökonomin

Die Überschrift ist leicht deprimierend: „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“. Genau dieses Spannungsfeld zieht sich durch die gesamte Reportage, in der Klimaökonomin Claudia Kemfert auf die COP30 zurückblickt – und du merkst beim Zuhören: Das ist nicht einfach nur ein weiterer nüchterner Klimagipfel-Recap, sondern ein ziemlich klarer Reality-Check, wo wir als Weltgemeinschaft gerade stehen. 1 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

Statt Jubel über historische Durchbrüche bleibt von Belém ein „diplomatischer Minimalkonsens“. Die COP30 ist besser als ein komplettes Scheitern – aber sie bleibt meilenweit hinter dem zurück, was die Wissenschaft für einen halbwegs sicheren Kurs verlangt.2 Umweltbundesamt – UN Climate Conference COP30: No breakthrough, but small steps 🌐https://www.umweltbundesamt.de/en/topics/un-climate-conference-cop30-no-breakthrough-but Während draußen Wälder brennen, Küsten überschwemmt werden und Hitzewellen Städte lahmlegen, ringen in den Konferenzsälen Delegierte um Formulierungen, die fossilen Konzernen möglichst wenig wehtun.

Foto: Die Folge von Extremwetter sind auch in Deutschland spürbar. Hochwasser durch starke Regenfälle am Neckargemund am Neckar in Süddeutschland. – trinculo_photo / iStock by GettyImages

COP30: Wenn „Minimalbasis“ schon als Fortschritt gilt
Das UN-Klimasekretariat rechnet vor, was Kemfert im Podcast politisch einordnet: Selbst wenn alle derzeit vorliegenden Klimapläne (NDCs) vollständig umgesetzt würden, sinken die weltweiten Emissionen bis 2035 gerade einmal um etwa 12 Prozent unter das Niveau von 2019.3 UNFCCC – Update to NDC Synthesis Report shows the emissions curve is being bent downwards, but urgent 🌐https://unfccc.int/news/update-to-ndc-synthesis-report-shows-the-emissions-curve-is-being-bent-downwards-but-urgent Für einen 1,5 Grad Pfad bräuchte es im gleichen Zeitraum aber Einschnitte um rund 60 Prozent – ein Fünffaches dessen, was bisher auf dem Tisch liegt.4 IPCC – AR6 Synthesis Report, Summary for Policymakers 🌐https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/

Foto: fallendes Diagramm der Reduzierung der CO2-Emissionen, Zeichnung des Planeten Erde. Bewegungsunschärfe von blauen, schneebedeckten Bergen im Hintergrund. – mi-viri / iStock by GettyImages

Die EU-Kommission nennt das Ergebnis höflich „eine sehr minimale Basis für globales Handeln“, betont aber gleichzeitig, dass das Tempo „weit davon entfernt ist, der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht zu werden“.5 EU Climate Action – What did COP30 achieve? 🌐https://climate.ec.europa.eu/news-other-reads/news/what-did-cop30-achieve-2025-12-01_en Klimabewegung, Wissenschaft und viele Communitys im Globalen Süden urteilen deutlich härter. Mehr als 80 Staaten hatten eine klare Roadmap zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas verlangt; am Ende steht im Text ein weichgespültes Bekenntnis zu einem „Übergang weg von fossilen Energien“, voll von Lücken und Interpretationsspielräumen.6 IISD – COP 30 Outcome: What it means and what’s next 🌐 https://www.iisd.org/articles/insight/cop-30-outcome-what-it-means-and-whats-next

Foto: Braunkohlenkraftwerk Bergheim‑Niederaußem im Rheinischen Revier in Nordrhein‑Westfalen. 7 Braunkohlenkraftwerk Kraftwerk Niederaußem 🌐 https://www.rwe.com/der-konzern/laender-und-standorte/kraftwerk-niederaussem/ Mit insgesamt rund 3,4 GW Nettoleistung war Niederaußem lange das zweitleistungsstärkste Kohlekraftwerk Deutschlands nach Neurath. 8 Greenpeace, Kohlekommission: Greenpeace fordert Abschalten von Kraftwerken 🌐 https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/kohleausstieg/niederaussem  Im Zuge des Kohleausstiegs wurden bereits mehrere ältere Blöcke stillgelegt; Betreiber RWE beschreibt auf seiner Standortseite den Abschaltpfad bis 2030. 9 Braunkohlenkraftwerk Kraftwerk Niederaußem 🌐 https://www.rwe.com/der-konzern/laender-und-standorte/kraftwerk-niederaussem/ ​ – Oliver Oltmanns / iStock by GettyImages

Zum ersten Mal: Das globale Aus für Fossile – und doch nicht wirklich
Klingt vorerst groß: Zum ersten Mal erkennen alle Staaten an, dass fossile Energien langfristig keine Zukunft haben und die Welt „weg von fossilen Brennstoffen“ muss.10uronews Green – From deforestation to fossil fuels: What did countries actually agree on at COP30 🌐https://www.euronews.com/green/2025/11/24/from-deforestation-to-fossil-fuels-what-did-countries-actually-agree-on-at-cop30 Aber im Detail sieht es düster aus: keine klaren Enddaten für Kohle, Öl und Gas, keine Verpflichtung, neue fossile Projekte zu stoppen, kein verbindlicher Abbau fossiler Subventionen.

Grafik: Ende der Subventionen für fossile Brennstoffe, Illustration und Infografik. –monkik / iStock by GettyImages

Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprechen von „verwässerten Entscheidungen“ beim fossilen Ausstieg – gemessen an den physikalischen Notwendigkeiten seien die Beschlüsse zur Beendigung der Fossilen und zur Entwaldung weit unter dem, was nötig wäre. 11 ESG News Earth – COP30 Outcomes Draw Global Criticism as Scientists Warn Climate Action Remains Insufficient 🌐 https://esgnews.com/cop30-outcomes-draw-global-criticism-as-scientists-warn-climate-action-remains-insufficient/ Genau das hört man auch bei Kemfert: Ja, es gibt Fortschritte auf dem Papier. Aber nein, diese COP hat die Welt nicht wirklich näher an den 1,5-Grad-Pfad gebracht. 12 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

An dieser Stelle möchte ich den Podcast „Der Klimakompass mit Claudia Kemfert“ wärmstens empfehlen. Zu warm wird es ohnehin, und dieser Podcast geht auf viele wichtige Fragestellungen zur Klimaerwärmung ein. Der Wortwitz mit der warmen Empfehlung kam nicht an, oder? Schade, ich fand den gelungen.

Sei’s drum. Von der Energiewende unter Merz13 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert, Verzögerungstaktik? Die Energiewende unter Merz 🌐 https://youtu.be/D9EtX4v66dI über die Never-ending-story zum angeblichen Verbrenner-Aus14 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert, U-Turn beim Verbrenner-Aus? 🌐 https://youtu.be/vROeDZ-YG_k bis hin zu ebendiesen Folgen zur COP3015 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert, COP30: Keine Konferenz ist auch keine Lösung 🌐 https://www.youtube.com/watch?v=a3bpQ1xrEpI&t=6s und der aktuellen Lage in der Welt16 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert, Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc gab es schon einige spannende Episoden. Sieben Stück an der Zahl, um genau zu sein. 17 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert 🌐 https://www.youtube.com/@klimakompass Was ein Jammer ist, da ich alle sieben Folgen in nur zwei Tagen durchhatte und nun kaum warten kann, bis endlich die nächste erscheint.

Grafik: Screenshot des YouTube Thumbnails “Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ von Der Klimakompass mit Claudia Kemfert online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=DyDqbC9z6mc abgerufen am 8.12.2025. Redaktionelle Nutzung. 18 Der Klimakompass mit Claudia Kemfert, Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter 🌐 https://www.youtube.com/watch?v=DyDqbC9z6mc

Brasilien zwischen Waldschutz und neuen Ölbohrungen
Belém im Bundesstaat Pará, mitten im Amazonas, sollte ein Symbol sein: Gastgeber Brasilien wollte Waldschutz, indigene Rechte und Klimagerechtigkeit sichtbar ins Zentrum rücken.19 Abschluss der Weltklimaschutzkonferenz COP30 | Bundesregierung 🌐 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/abschluss-cop30-2395690 In Teilen ist das gelungen – von der Sichtbarkeit indigener Delegationen bis zur Ankündigung von Waldschutzinitiativen. Gleichzeitig vergab Brasilien während der COP neue Lizenzen für Offshore-Ölbohrungen und betont weiterhin, dass Öl- und Gasexporte ein zentrales Standbein der eigenen Wirtschaft sind. 20 Euronews Green – From deforestation to fossil fuels 🌐https://www.euronews.com/green/2025/11/24/from-deforestation-to-fossil-fuels-what-did-countries-actually-agree-on-at-cop30

Foto: Offshore-Brennerausleger in einer Ölbohrinsel, Campos-Becken, Brasilien. – Alvaro Victor / iStock by GettyImages

Besonders umstritten, aber politisch geschickt inszeniert, ist der „Tropical Forest Forever Facility“ – ein milliardenschwerer Fonds außerhalb des UN-Rahmens, mit dem Brasilien und Partnerländer dafür bezahlt werden sollen, Wälder stehen zu lassen. Deutschland hat bereits zugesagt, über zehn Jahre hinweg eine Milliarde Euro in diesen Fonds zu geben; Norwegen will umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro in Form von Krediten beisteuern, wenn weitere Geber folgen.21 Euronews Green – From deforestation to fossil fuels 🌐 https://www.euronews.com/green/2025/11/24/from-deforestation-to-fossil-fuels-what-did-countries-actually-agree-on-at-cop30 Das ist wichtig – aber eben nur eine Seite der Medaille: Du kannst keinen glaubwürdigen Waldschutz verkaufen und gleichzeitig neue fossile Projekte im gleichen Land ausbauen, ohne dir massive Glaubwürdigkeitsprobleme einzuhandeln. Kemfert benennt diesen Widerspruch sehr klar – und du fühlst mit, wie schwer es fällt, ein Land gleichzeitig als Hoffnungsträger und Blockierer zu sehen. 22 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

Grafik: Bild der brasilianischen Flagge, Ölpumpe, Bohrinsel und Fässer mit steigendem Graphen, sinnbildlich für das Konzept der Ölförderung in Brasilien. – MARHARYTA MARKO / iStock by GettyImages

Deutschland: klimadiplomatisch „solide“, aber weit unter dem Notwendigen
Und Deutschland? In der Reportage wird deutlich: Die Bundesregierung reiste mit ein paar sichtbaren Finanzzusagen an, aber nicht mit dem Anspruch, wirklich eine Führungsrolle zu übernehmen. Deutschland hat auf der COP30 zugesagt, zusätzlich 60 Millionen Euro in den internationalen Anpassungsfonds einzuzahlen – und verweist darauf, dort seit Jahren größter Geber zu sein. Insgesamt belief sich die deutsche Klimaanpassungsfinanzierung aus dem Bundeshaushalt 2024 laut Umweltministerium auf 2,84 Milliarden Euro. 23 COP 30 – Klimaanpassung: Deutschland stellt 60 Millionen Euro für den globalen Anpassungsfonds bereit – BMUKN – Pressemitteilung. Bundesumweltministerium 🌐 https://www.bundesumweltministerium.de/pressemitteilung/cop-30-klimaanpassung-deutschland-stellt-60-millionen-euro-fuer-den-globalen-anpassungsfonds-bereit

Klingt nach viel – ist aber gemessen am globalen Bedarf schlicht zu wenig. UNEP geht davon aus, dass Länder des Globalen Südens bis 2035 jedes Jahr 310 bis 365 Milliarden US Dollar allein für Klimaanpassung brauchen, während die internationale öffentliche Anpassungsfinanzierung 2023 bei gerade einmal 26 Milliarden US Dollar lag.24 UNEP – Adaptation Gap Report 2025: Running on Empty (Zusammenfassung) 🌐https://greeningtheblue.org/stories/uneps-adaptation-gap-report-2025-warns-running-empty-adaptation-finance 25 GKToday – UNEP Adaptation Gap Report (AGR) 2025 🌐https://www.gktoday.in/unep-adaptation-gap-report-agr-2025/ Die Lücke alleine in der Anpassungsfinanzierung liegt also irgendwo zwischen 284 und knapp 340 Milliarden US Dollar pro Jahr – Geld, das heute schlicht fehlt.26 Climate.Table – Climate adaptation: UNEP expects a shortfall of at least USD 284 billion in 2035 🌐https://table.media/en/climate/feature/climate-adaptation-unep-expects-a-shortfall-of-at-least-usd-284-billion-in-2035

Kemfert nennt das, was in Belém dazu beschlossen wurde, sinngemäß „symbolische Fortschritte“. Die Staaten haben zwar anerkannt, dass man die Anpassungsfinanzierung bis 2035 etwa verdreifachen müsste – aber ohne klare Basiszahl, ohne verbindlichen Verteilungsschlüssel und ohne rechtlich einklagbare Verpflichtungen. 27 UNFCCC – Matters relating to adaptation: National adaptation plans. Proposal by the Presidency 🌐https://unfccc.int/documents/654945 28 UNFCCC – Unlocking Climate Finance for Adaptation in the Caribbean Region CN 🌐 https://unfccc.int/documents/655133 29 Mirwald, M., Schwarz, R., Adaptation at COP30 – Getting Ready for Implementation on the Ground While ‘Running on Empty’? 🌐 https://www.germanwatch.org/de/blog/anpassung-auf-der-cop30 30 Mirwald, M., Schwarz, R., Adaptation at COP30 – Getting Ready for Implementation on the Ground While ‘Running on Empty’? 🌐https://www.germanwatch.org/en/node/93327 Politisch ist das ein Signal, finanziell ist es weit entfernt von der Realität, in der Menschen ihre Häuser, Ernten und Lebensgrundlagen verlieren.

Foto: Luftaufnahme 1 der Kleinstadt Silchar, Assam, Indien, Ländliche Nachbarschaft wird von Barak Fluss am 19. Mai 2022 mit Schlamm geflutet. – RahulDsilva / iStock by GettyImages
Foto: Luftaufnahme 2 der Kleinstadt Silchar, Assam, Indien, Naturkatastrophe im globalen Süden infolge des Klimawandels. – RahulDsilva / iStock by GettyImages

Eine Billion für den Süden – und eine große Menge an Ausreden im Norden
In der Sendung fällt immer wieder die Zahl von rund einer Billion US-Dollar, die Länder des Globalen Südens pro Jahr für Klimaschutz und -anpassung bräuchten.31 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐https://youtu.be/DyDqbC9z6mc Zivilgesellschaftliche Netzwerke wie CAN International fordern, dass die neue globale Klimafinanzierungszielgröße (NCQG) bei mindestens 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr nur für Anpassung liegen sollte – und insgesamt deutlich höher, wenn man auch Emissionsminderungen hinzurechnet. 32 Climate Action Network – Briefing: A New Adaptation Finance Commitment under the Global Goal on Adaptation 🌐https://climatenetwork.org/resource/briefing-a-new-adaptation-finance-commitment-under-the-global-goal-on-adaptation/ UNEP wiederum schätzt, dass die reinen Anpassungskosten bis 2035, inflationsbereinigt, sogar 440 bis 520 Milliarden US-Dollar jährlich erreichen könnten.33 UNEP – Adaptation Gap Report 2025 (Detailanalyse) 🌐 https://www.weadapt.org/knowledge-base/governance-institutions-and-policy/unep-adaptation-gap-report-2025-running-on-empty/

Gleichzeitig hat die „Baku Belém Roadmap“ bereits vor COP30 ein Klimafinanzierungsziel von 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035 ins Gespräch gebracht – ein Mix aus öffentlicher und privater Finanzierung, bei dem aber noch völlig offen ist, wie viel tatsächlich zusätzlich ist und wie stark Schuldenfallen für den Süden vermieden werden. 34 UNEP – Adaptation Gap Report 2025: Running on Empty (Hinweis auf Baku–Belém Roadmap) 🌐 https://www.gktoday.in/unep-adaptation-gap-report-agr-2025/ In Belém wurde dieses Ziel politisch nicht endgültig verankert – aber es schwebt als Zahl im Raum, die deutlich macht: Wenn vermögende Länder wollen, finden sie das Geld. Die Frage ist nicht „ob“, sondern „wer zahlt – und unter welchen Bedingungen“.

China zwischen Weltrekord Solar und Kohleabhängigkeit
Ein besonders spannender Strang der Reportage widmet sich China. Kemfert beschreibt sehr plastisch, wie widersprüchlich die Rolle des Landes ist: keine neuen, deutlich schärferen Klimaziele auf COP30, kein beschleunigter Kohleausstieg – aber ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien, der schon heute schneller wächst als der eigene Strombedarf. 35 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

 
 
Davon hat man schon gehört, ja. Aber wirklich begreifen und greifen kann man die Dimensionen, in denen China den Ausbau der Erneuerbaren vorantreibt, nicht. Chinas aktuell größter Solarpark ist ein neues Mega‑Projekt in der Wüste bei Ürümqi in der Region Xinjiang. 2024 wurde dort der Midong‑Solarpark (teilweise auch einfach als „largest solar farm near Urumqi/Xinjiang“ bezeichnet) ans Netz gebracht.

Die Anlage hat eine installierte Leistung von rund 3,5 Gigawatt (3.500 MW) und bedeckt etwa 33.000 Hektar Wüstenfläche. Sie erzeugt nach Angaben der Betreiber rund 6,1 Milliarden kWh Strom pro Jahr, genug, um den Jahresverbrauch der Balearen in Höhe von etwa 5–6 TWh zu decken. 36 Number of tourists on the Balearic Islands, Spain from 2017 to 2024, by main origin 🌐https://www.statista.com/statistics/772140/annual-number-of-tourists-arriving-in-the-balearic-islands-by-origin/ 37 Balearic Islands on track to record tourist arrivals in 2023 🌐 https://mallorcaglobalmag.es/en/baleares-camino-de-registrar-record-de-llegadas-de-turistas-en-2023 Nur zur Erinnerung, Zwinkersmiley, die Balearen, das sind die Mittelmeerinseln Mallorca, Menorca, Ibiza, Formentera. Alle. Mit nur einem einzigen Solarpark. Und es sind ja nicht nur die Einwohner aller Inseln zusammengenommen, die Stromverbraucher sind. Wir reden hier von rund 17,9 Millionen Tourist*innen jedes Jahr.38 National electrical energy balance (generation mix) 🌐 https://electrek.co/2024/06/04/worlds-largest-solar-farm-china/
 

Foto: Solarkraftwerk im Schnee im Winter, Xinjiang, China, Asien. – Zhang mengyang / iStock by GettyImages

Die Internationale Energieagentur bestätigt in ihrem World Energy Outlook, dass China weltweit führend beim Ausbau von Wind- und Solarenergie ist und 2024/2025 jährlich mehr neue Solarleistung installiert hat als der Rest der Welt zusammen.39 IEA – World Energy Outlook 2025 (China factsheet) 🌐 https://www.iea.org/reports/world-energy-outlook-2025 Gleichzeitig bleibt das Land größter Kohleverbraucher der Erde und baut weiterhin neue Kohlekraftwerke, unter anderem mit dem Verweis auf Energiesicherheit und industrielle Wettbewerbsfähigkeit.40 IEA – Coal 2024 🌐https://www.iea.org/reports/coal-2024 41 IEA (2024), Coal 2024, IEA, Paris https://www.iea.org/reports/coal-2024, Licence: CC BY 4.0 🌐 https://iea.blob.core.windows.net/assets/a1ee7b75-d555-49b6-b580-17d64ccc8365/Coal2024.pdf Das macht China zu einem tief ambivalenten Akteur: Treiber der globalen Energiewende – und zugleich massiver Treiber des Klimawandels.

Kemfert beschreibt, dass China international eher zurückhaltend auftritt, selten mehr verspricht, als es liefern kann – und im Gegensatz zu manch westlichem Staat dafür bekannt ist, Zusagen tatsächlich einzuhalten.42 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐https://youtu.be/DyDqbC9z6mc Für die Klimapolitik bedeutet das: Wenn China sich ernster und früher zu einem schnelleren Kohleausstieg verpflichtet, ist die Chance hoch, dass das dann auch passiert. Noch aber klafft zwischen technologischer Vorreiterrolle bei Erneuerbaren und fossiler Realität im Strommix eine gewaltige Lücke.

Grafik: Kohlekraftwerk mit Überlagerung der chinesischen Nationalflagge. – Sunshine Seeds / iStock by GettyImages

Carbon Markets: Zwischen Klimaschutzinstrument und Klimakolonialismus
Auf der COP30 wurde die „Open Coalition on Compliance Carbon Markets“ angekündigt – eine Koalition von bisher 18 Staaten, darunter Brasilien, EU-Länder (auch Deutschland) und China, die staatlich regulierte Emissionshandelssysteme besser verknüpfen und CO₂-Preise zu einem stärkeren Hebel machen soll. 43 COP30 – Carbon Market Coalition welcomes 18 member countries at COP30 🌐 https://cop30.br/en/news-about-cop30/carbon-market-coalition-welcomes-18-member-countries-at-cop30

In der Theorie können Emissionshandel und Carbon Markets helfen, Emissionen dort zu senken, wo es am günstigsten ist, und Geld in naturbasierte Lösungen wie Waldschutz, Wiederaufforstung und Moorrenaturierung lenken – Bereiche, die laut IPCC bis zu einem Drittel der global notwendigen Emissionsminderungen liefern könnten. 44 IPCC – AR6 WGIII: Climate Change 2022 – Mitigation of Climate Change (Kapitel zu Land und Forstwirtschaft) 🌐https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/ Die Realität der letzten Jahre war aber oft: intransparente Projekte, zweifelhafte Zertifikate, Doppelzählung und Fälle, in denen indigene Communitys im Namen des „Klimaschutzes“ Landrechte verloren haben. Dazu habe ich schon einmal einen spannenden Artikel geschrieben, den du hier findest: Afrika: Safaris und gute Geschäfte 45 Afrika: Safaris und gute Geschäfte 🌐 https://paddys.de/afrika-safaris-und-gute-geschaefte/

Genau deshalb warnen Umweltorganisationen davor, dass neue Marktarchitekturen ohne strenge Menschenrechts-, Biodiversitäts- und Integritätsstandards den „Klimakolonialismus“ eher verstärken könnten: Reiche Länder kaufen sich frei, während der Süden Land, Souveränität und oft reale Emissionsminderungen verliert.46 Nature4Climate – COP 30 Delivers Progress — But Seems to Have Missed its Moment 🌐https://nature4climate.org/cop-30-delivers-progress-but-seems-to-have-missed-its-moment/ Kemfert betont, dass Carbon Markets nur ein zusätzliches Instrument sein dürfen – kein Freifahrtschein, um weiter fossile Infrastruktur zu bauen und den Ausstieg mit Kompensationen zu verwässern.47 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

Grafik: Banner Lesetipp „Afrika: Safaris und gute Geschäfte“

Die Gesellschaft ist längst weiter: 83 Prozent machen sich Sorgen
Der stärkste Kontrapunkt zu all diesen Blockaden kommt in der Reportage nicht aus den Verhandlungszelten, sondern aus der Gesellschaft. Der zweite Zusammenhaltsbericht des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) zeigt: 83 Prozent der Menschen in Deutschland machen sich Sorgen über die Folgen der Klimakrise, 71 Prozent finden, dass die Politik mehr für den Klimaschutz tun sollte.48 Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt – (Un)mögliche Transformation? Zweiter Zusammenhaltsbericht 🌐 https://fgz-risc.de/fileadmin/media/publikationen/Zweiter_Zusammenhaltsbericht/Zweiter_Zusammenhaltsbericht_FGZ_web.pdf 49 University of Bremen – Research Institute Social Cohesion: Majority of Germans Willing to Support Climate Action 🌐 https://www.uni-bremen.de/en/university/university-communication-and-marketing/all-news/details/research-institute-social-cohesion-majority-of-germans-willing-to-support-climate-action

Die Forschenden unterscheiden fünf „Klimatypen“:

Seit ich das erste Mal von den fünf Klimatypen gehört habe, frage ich mich, welcher der fünf Typen auf mich zutrifft. Denn die Antworten kann man mehrfach ankreuzen, aber die Klimatypen sind jeweils exklusiv. Ich kann also nicht besorgt sein und gleichzeitig zu den Entschlossenen zählen – was ich mit dem, was ich tue, i.e. Schreiben, Aufklären, Spendenaktionen mit fünfstelligen Spendensummen organisieren, selbst privat – hach, das wollt ihr gar nicht wissen, wie viel ich jedes Jahr spende, dafür fliegen andere mit der ganzen Familie im Sommer in die Karibik, zwei Wochen zum Tauchen. Ja, das kommt in etwa hin. Ein Skiurlaub in der Schweiz wäre vielleicht noch drin. Ja, wahrscheinlich zähle ich zu den Entschlossenen. Zu jenen Entschlossenen, die besorgt zustimmen, und sich offensichtlich nicht in Schubladen stecken lassen. Zwinkersmiley.

Die ablehnende Gruppe – also die, die Klimapolitik grundsätzlich bekämpft, sich stark an Desinformationsnarrativen orientiert und meist politisch rechts bis rechtsextrem verortet ist – macht nur rund acht Prozent aus, ist aber extrem laut und überrepräsentiert in Social Media und Teilen der klassischen Medien. 51 Universität Bremen – Mehrheit der Deutschen zu mehr Klimaschutz bereit 🌐 https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/forschungszentrum-gesellschaftlicher-zusammenhalt-mehrheit-der-deutschen-zu-mehr-klimaschutz-bereit 52 Richter, Christoph, Axel Salheiser, Noah Marschner und Janine Patz. 2024. Climate of Regression: Public Climate Attitudes and Radical Right Anti-Climate Mobilization in the Battle Around the Green Transition in Germany. In: Contested Climate Justice – Challenged Democracy: International Perspectives, hg. von Noah Marschner, Christoph Richter, Janine Patz und Axel Salheiser, 235–259. 1. Auflage. Gesellschaftlicher Zusammenhalt 9. Frankfurt: Campus, 18.09.2024. url: https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/soziologie/contested_climate_justice_challenged_democracy-18004.html. 🌐 https://fgz-risc.de/bibliothek/publikationsdatenbank/details/climate-of-regression-public-climate-attitudes-and-radical-right-an 53 Contested Climate Justice – Challenged Democracy 🌐 https://www.campus.de/e-books/wissenschaft/contested_climate_justice_challenged_democracy-18364.html

Kemfert bringt das im Podcast mit ihrer eigenen Erfahrung zusammen: Seit Jahren sind bei ihren Vorträgen und Lesungen die Mehrheit der Menschen klar klimabewusst und offen für Veränderung – die radikalen Blockierer tauchen eher in Shitstorms als im Saal auf.54 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc Die eigentliche Spaltung verläuft also nicht zwischen „Klimaleugner*innen“ und „Klimaretter*innen“, sondern zwischen einer breiten, oft verunsicherten Klimaschutzmehrheit und einer kleinen, aber gut organisierten Minderheit, die Desinformation professionell nutzt.

Foto: Waigaoqiao Power Station ist ein riesiges Kohlekraftwerk im Stadtbezirk Gaodong Town, Pudong, von Shanghai. 55 Waigaoqiao power station  🌐 https://www.gem.wiki/Waigaoqiao_power_station  Die Anlage hat heute rund 5,1 GW installierte Leistung und gehört damit zu den größten Kohlekraftwerken der Welt. 56 Waigaoqiao Power Station  🌐 https://en.wikipedia.org/wiki/Waigaoqiao_Power_Station  Das Kraftwerk wurde in drei Phasen von 1994 bis 2008 gebaut; die Phase III Blöcke arbeiten mit ultra superkritischer Technik und erreichen Wirkungsgrade um 45–46%, was sie zu besonders „effizienten“ – aber trotzdem sehr CO₂ intensiven – Kohlemeilern macht. 57 Waigaoqiao Power Station, Shanghai 🌐 https://www.power-technology.com/projects/waigaoqiao-power-station-shanghai/ 

Angst vor Spaltung – und trotzdem klare Klimaschutz-Mehrheit
Spannend ist, dass dieselben Studien zeigen: Rund 70 Prozent der Menschen in Deutschland haben Angst, dass Klimapolitik die Gesellschaft weiter spalten könnte. 58 Universität Bremen – „Mehrheit der Deutschen zu mehr Klimaschutz bereit“ 🌐https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/forschungszentrum-gesellschaftlicher-zusammenhalt-mehrheit-der-deutschen-zu-mehr-klimaschutz-bereit Viele sind also gleichzeitig für mehr Klimaschutz und besorgt über die sozialen Folgen – etwa steigende Preise, drohende Jobverluste, Ungerechtigkeiten zwischen Stadt und Land.

Der FGZ-Bericht zeigt, dass besonders die „Besorgten“ eine Schlüsselrolle spielen: Sie teilen die Klimasorge der Entschlossenen, haben aber ähnlich starke soziale Sorgen wie die Ablehnenden. 59 Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt – (Un)mögliche Transformation? Zweiter Zusammenhaltsbericht 🌐 https://fgz-risc.de/fileadmin/media/publikationen/Zweiter_Zusammenhaltsbericht/Zweiter_Zusammenhaltsbericht_FGZ_web.pdf Wenn Klimapolitik nicht sozial abgefedert wird, sind sie empfänglich für Kampagnen, die jede Maßnahme als „Klimadiktatur“ framen. Wenn Klimapolitik dagegen sichtbar Jobs sichert, Energiearmut reduziert und Regionen mitnimmt, können genau diese Menschen zur starken Allianz für eine sozial-ökologische Transformation werden.

Kemfert fordert deshalb sehr deutlich: Wir müssen endlich aufhören, in Talkshows und Schlagzeilen so zu tun, als wäre Deutschland beim Klima „breit gespalten“. Die Daten sagen etwas anderes – und jede Redaktion, die konsequent diese 70 bis 80 Prozent Mehrheit sichtbar macht, stärkt den gesellschaftlichen Rückhalt für durchgängigen Klimaschutz. 60 DIW Berlin – More cohesion on climate issues? 🌐 https://www.diw.de/en/diw_01.c.988598.en/more_cohesion_on_climate_issues.html 61 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐 https://youtu.be/DyDqbC9z6mc

Medienlogik vs. Klimarealität
Ein besonders ehrlicher Moment in der Reportage ist das Gespräch über Medien. Ja, gute Geschichten brauchen Reibung. Ja, „Alle sind sich einig, dass Klimaschutz wichtig ist“ klingt erst einmal nicht nach Quotenhit. Aber wenn Redaktionen immer wieder aus einer lauten Acht-Prozent-Minderheit und einer 70-Prozent-Mehrheit künstlich „zwei gleich große Lager“ basteln, entsteht ein völlig verzerrtes Bild. 62 Universität Bremen – „Mehrheit der Deutschen zu mehr Klimaschutz bereit“ 🌐 https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/forschungszentrum-gesellschaftlicher-zusammenhalt-mehrheit-der-deutschen-zu-mehr-klimaschutz-bereit

Kemfert beschreibt aus 25 Jahren Medienerfahrung, dass sie praktisch nie gefragt wird: „Was kostet es uns, wenn wir nichts tun?“, sondern fast immer: „Was kostet uns Klimaschutz?“.63 Klimakompass mit Claudia Kemfert – „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ 🌐https://youtu.be/DyDqbC9z6mc Dass die Nicht-Anpassung an die Klimakrise laut UNEP und Weltbank Billionen an künftigen Schäden verursachen wird – von zerstörten Ernten über Überflutungen bis zu Gesundheitskosten – taucht selten in der gleichen medialen Wucht auf wie das Jammern über CO₂ Preise.64 UNEP – Adaptation Gap Report 2025: Running on Empty 🌐 https://greeningtheblue.org/stories/uneps-adaptation-gap-report-2025-warns-running-empty-adaptation-finance
Genau hier setzt die Reportage an: Sie macht Mut, diese Erzählung zu drehen – weg vom „Was verlieren wir durch Klimaschutz?“ hin zu „Was gewinnen wir durch eine gerechte Transformation – und was verlieren wir, wenn wir uns weiter bremsen lassen?“.

Foto: Kraftwerke wie Waigaoqiao Power Station in Shanghai dürften rund 40 Schiffsladungen fossile Kohle pro Jahr verfeuern. 65 Waigaoqiao Power Station, Shanghai 🌐 https://www.power-technology.com/projects/waigaoqiao-power-station-shanghai/ [ footnote] Waigaoqiao Power Station  🌐   https://en.wikipedia.org/wiki/Waigaoqiao_Power_Station [/footnote] Wie wenn nicht per Schiff sollte man solche Mengen zum Kraftwerk bringen? Luftaufnahme des Verladens von Kohle aus Lastkähnen. – Farhan Kudo San / iStock by GettyImages

Zwischen Wut und Hoffnung: Was du aus dieser Reportage mitnehmen kannst
Vielleicht sitzt du nach dieser Folge da und fühlst einen Knoten im Bauch. Auf der einen Seite: die Verhandlungsrealität von COP30, die 1,5 Grad de facto in weite Ferne rücken lässt, eine groteske Finanzierungslücke, weichgespülte Beschlüsse und fossile Blockierer, die sich lieber an Öl- und Gasprofite klammern, als Menschenleben zu schützen. 66 UNFCCC – Update to NDC Synthesis Report 🌐https://unfccc.int/news/update-to-ndc-synthesis-report-shows-the-emissions-curve-is-being-bent-downwards-but-urgent 67 UNEP – Adaptation Gap Report 2025: Running on Empty 🌐https://greeningtheblue.org/stories/uneps-adaptation-gap-report-2025-warns-running-empty-adaptation-finance

Foto: „Panamax“ bezeichnet Schiffe, deren Abmessungen so gewählt sind, dass sie gerade noch durch die ursprünglichen Schleusen des Panamakanals passen (max. ca. 294 m Länge, 32,3 m Breite, 12 m Tiefgang). 68 Panamax 🌐  https://www.industrie-lexikon.de/cms/lexikon/50-lexikon-p/3654-panamax.html viele Coal Carrier liegen im Bereich von 65.000–85.000 Tonnen69 Panamax 🌐 https://www.marbrokers.com/ship-types/panamax  , was ziemlich genau dem Wochenbedarf der  Waigaoqiao Power Station entsprechen dürfte. Diese Dimensionen sind kaum noch vorstellbar. – Askolds / iStock by GettyImages
Foto: Moderne Kohle-Güterwagen (Hopper/Gondola) fassen typischerweise 60–80 Tonnen Nutzlast; spezialisierte Kohlewagen liegen oft bei 80 t. 70 Coal Hopper Wagons 🌐  https://railwaywagons.com/rail-freight-wagons/hopper-wagons/coal-hopper-wagons/ Um also 80.000 Tonnen Steinkohle zu von dem Abbaugebiet zum Hafen zu bringen, benötigt man 1000 bis 1.300 Güterwagons pro Jahr. Okay, auch nicht wirklich greifbar. – Askolds / iStock by GettyImages
Foto: Kohle-Hafenumschlagterminal. Die Dimensionen, in denen China fossile Energieträger verheizt sind trotz des immensen Ausbaus der Erneuerbaren gewaltig. 200 Tonnen Kohle pro Tag  dürften es wohl sein, nur für dieses eine Kraftwerk. 71 Waigaoqiao Power Station, Shanghai 🌐 https://www.power-technology.com/projects/waigaoqiao-power-station-shanghai/ [ footnote] Waigaoqiao Power Station  🌐   https://en.wikipedia.org/wiki/Waigaoqiao_Power_Station [/footnote]– Askolds / iStock by GettyImages

 

Abseits des Themas ein kleiner Hinweis: Dir ist möglicherweise aufgefallen, dass ich mich im Hinblick auf Zahlen und Daten aus China äußerst vorsichtig ausdrücke. Das liegt ganz einfach daran, dass es aus China kaum relevant öffentlich zugängliches Datenmaterial gibt zu solch abwegigen Fragestellungen wie zum Beispiel: Wie viele Quadratmeter Regenwald müsste die chinesische Regierung schützen lassen, nur um die CO₂-Emissionen dieses einzelnen Kraftwerks in Shanghai zu kompensieren? Ich habe mit den spärlichen Daten aus den verlinkten Quellen ein wenig herumgerechnet

Foto: Chinesische Flagge auf dem Hintergrund der Kohle. Eine Zahl der Superlative habe ich noch. Nun ja, der negativen Superlative muss man wohl besser sagen.  Realistisch liegt Waigaoqiao wohl irgendwo im Korridor von rund 7 bis 10 Mio. Tonnen CO₂ jährlich – nur dieses eine Kraftwerk. Wir sprachen kürzlich vom CO2-Zertifikatehandel für Projekte „am anderen Ende der Welt“. Um diese Menge an  CO2 zu kompensieren, könnte China beispielsweise jedes Jahr rund 15 000 Hektar peruanischen Regenwald kaufen und unter Schutz stellen lassen 72 Secret Forest: Unser Schutzgebiet in Peru  🌐 https://wilderness-international.org/region/secret-forest   . Neben einer Kostennote von 150 Mio. Euros hat das Ganze nur einen Haken, den ich dir mit dem letzten Bild verrate. – Andrzej Rostek / iStock by GettyImages

Auf der anderen Seite: eine Gesellschaft, die längst weiter ist, als viele Politiker*innen und Redaktionen wahrhaben wollen. 83 Prozent machen sich Sorgen um die Klimafolgen, 71 Prozent wollen mehr Klimaschutz, viele Unternehmen und Investor*innen richten sich längst strategisch auf eine fossilfreie Zukunft aus. 73 Universität Bremen – „Mehrheit der Deutschen zu mehr Klimaschutz bereit“ 🌐 https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/forschungszentrum-gesellschaftlicher-zusammenhalt-mehrheit-der-deutschen-zu-mehr-klimaschutz-bereit 74 World Economic Forum – Climate adaptation finance ‘running on empty’, and other nature news 🌐 https://www.weforum.org/stories/2025/11/climate-adaptation-finance-climate-nature-news/

Diese Reportage macht beides sichtbar: die strukturelle Gewalt eines viel zu langsamen Systems – und die reale Macht einer Mehrheit, die sich organisieren kann. „Fossile Blockierer bremsen – die Gesellschaft ist längst weiter“ ist damit mehr als nur ein Rückblick auf die COP30. Es ist ein ziemlich deutliches „Come on“ an uns alle, die wir irgendwo in diesen 83 Prozent sitzen: Lass dir nicht einreden, du wärst Teil einer kleinen, hysterischen Minderheit. Du bist die Mehrheit. Und genau diese Mehrheit muss jetzt laut, unbequem und solidarisch werden – in Kommunalpolitik, Medien, Wirtschaft, Bewegungen, in deinem Alltag. 


Denn wenn diese COP30 eines gezeigt hat, dann das: Die Minimal‑Konsense der Diplomatie retten uns nicht. Was uns retten kann, ist eine Gesellschaft, die den fossilen Blockierern klarmacht, dass ihre Zeit abgelaufen ist – und die bereit ist, für eine faire, sozial gerechte Klimapolitik einzustehen.


 

Foto: Das Huaneng Dezhou Power Plant ist ein großes Kohlekraftwerk im Decheng‑Distrikt von Dezhou, Shandong, China. 75 Huaneng Dezhou power station 🌐 https://www.gem.wiki/Huaneng_Dezhou_power_station Die Anlage umfasst derzeit mit rund 2.5–2.7 GW installierter Leistung zwar nur halb so viel Power wie Waigaoqiao Power Station. 76 Huaneng Dezhou Coal Power Plant China 🌐 https://globalenergyobservatory.org/geoid/41854 Aber das ist fast doppelt soviel Leistung wie die 1,41 GW von Deutschlands größtem Atomkraftwerk Isar II bei München. Nur mal so, um die Dimensionen herauszustellen. Okay, der Vergleich hinkt etwas, denn Dezhou ist ein Mehrblock‑Kohlekraftwerkskomplex, Isar II hingegen war ein einzelner Reaktorblock – deshalb ist die Gesamtleistung von Dezhou deutlich höher, obwohl jeder einzelne Block dort weniger Leistung hat als der Isar‑Reaktor. 77 Dezhou Coal-Fired Power Plant – The Dezhou project has added another 1,320MW to the existing coal-fired plant in Dezhou, China. The expansion was completed in 2003, and gives the plant a total capacity of 2,520MW. 🌐 https://www.power-technology.com/projects/dezhou/ chuyu / iStock by GettyImages

Ich hatte dir noch ein paar krasse Zahlen versprochen. In der Tat, hier sind sie.

China betreibt heute rund 1160 160 Kohlekraftwerke – mehr als jedes andere Land der Welt78 statista: Countries and territories with the largest number of operational coal power plants worldwide as of July 2025 🌐 https://www.statista.com/statistics/859266/number-of-coal-power-plants-by-country/ . Es baut aktuell rund 50 weitere 79 carbonbrief: CHINA POLICY 13 February 2025 – China’s construction of new coal-power plants ‘reached 10-year high’ in 2024 🌐 https://www.carbonbrief.org/chinas-construction-of-new-coal-power-plants-reached-10-year-high-in-2024/ und hat noch einmal 30 bis 50 zusätzliche Anlagen in Planung 80 Boom and Bust Coal 2025 🌐 https://globalenergymonitor.org/report/boom-and-bust-coal-2025/ 81 Boom and Bust Coal 2025 – Tracking the Global Coal Plant Pipeline, April 2025 🌐 https://globalenergymonitor.org/wp-content/uploads/2025/03/Boom-Bust-Coal-2025.pdf 82 CREA, Centre for Energy and Clean Air: Global Energy Monitor: When coal won’t step aside: The challenge of scaling clean energy in China, 02/2025 🌐 https://energyandcleanair.org/wp/wp-content/uploads/2025/02/CREA_GEM_China_Coal-power_H2-2024_FINAL.pdf 83 China sets new records in coal power plant approvals – Editorial Team, 13 February 2025 🌐 https://www.rinnovabili.net/policy-and-affairs/chinas-coal-power-plants-record-approvals-and-new-construction/

Getoppt werden diese Zahlen nur noch – Trommelwirbel – von jenen der Erneuerbaren. Womit wir, wer hätte das gedacht, mit etwas Positivem schließen:

In China sind es mit im Bau befindlichen 339 GW Leistung aus Sonne, Wind und Co. mehr als das Dreifache von im Bau befindlichen fossilen Projekten mit insgesamt 94,5 GW Kohleleistung. 84 rinnovabili.net – The unstoppable growth of renewables in China: 339 GW already on site 🌐 https://www.rinnovabili.net/business/the-unstoppable-growth-of-renewables-in-china-339-gw-already-on-site/

Fun Fact: China baut damit auch mehr Erneuerbare aus, als Deutschland insgesamt über alle Technologien betreibt. Alle deutschen Kraftwerke zusammen kommen aktuell auf rund 265 000 MW (265 GW) installierte Leistung85 Bundesnetzagentur: Kraftwerksliste 🌐 https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapazitaeten/Kraftwerksliste/start.html . Davon sind rund 177–190 GW entsprechend rund 70% im Strommix erneuerbare Energien (vor allem Wind und Solar), der Rest verteilt sich auf fossile und sonstige konventionelle Kraftwerke 86 bundesnetzagentur.de – Bundesnetzagentur – Presse – Ausbau Erneuerbarer Energien 2024 🌐 https://www.bundesnetzagentur.de/1043738 .

Statistic: Countries and territories with the largest number of operational coal power plants worldwide as of July 2025 | Statista
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Abbildung: Statista: Countries and territories with the largest number of operational coal power plants worldwide as of July 2025. Redaktionelle Nutzung. Mit freundlicher Erlaubnis von Statista 12.12.2025 87 statista: Countries and territories with the largest number of operational coal power plants worldwide as of July 2025 🌐 https://www.statista.com/statistics/859266/number-of-coal-power-plants-by-country/ . Es baut aktuell rund 50 weitere 88

Quellenverzeichnis