Nach dem letzten Intensivaufenthalt, als klar war… „ein neuer Intensivpflegedienst ist gefunden und steht bald zur Verfügung“, hatten wir beschlossen, es geht ein paar Tage eher nach Hause. Nochmal die Ruhe genießen, bevor es richtig losgeht mit Einarbeitung etc… Einfach ein paar Tage alleine sein… Schon auf Intensivstation war uns klar, wir ziehen zusammen, in eine neue große schöne Wohnung, in der die Pflegekräfte einen Raum für sich hatten, damit natürlich auch wir mehr Privatsphäre bekamen. Gesagt…getan…

Was alles in den darauffolgenden 2 Jahren passiert ist, kann und möchte ich alles nicht erzählen, dafür reicht so ein Beitrag auch einfach nicht aus. Ich kann nur annähernd beschreiben wie es sich anfühlt, abhängig von anderen Menschen sein zu müssen. Und ich war nicht der Pflegebedürftige und dennoch war ich abhängig. Abhängig von Menschen, die meinen geliebten Freund versorgt haben, während ich arbeiten gehen musste. Abhängig davon, dass derjenige auch zum Dienst erscheint, damit ich auf Intensivstation konnte. Abhängig von Menschen, die teilweise kaum Wissen über Beatmung hatten, die Fehler machten die zum Teil patientengefährdend waren.

Ich möchte hiermit ausdrücklich erwähnen, dass wir auch sehr sehr gute Pflegekräfte hatten!!

Mich hat es damals, 2015, sehr erschreckt, wie stark die Bereiche außerklinische Intensivpflege und klinische Intensivstation voneinander entfernt sind, was Hintergrundwissen anbelangt. Damals kam ich frisch aus der Fachweiterbildung Intensiv und im Nachhinein weiß ich, der Ein oder Andere hatte es sicher auch nicht so leicht mit mir, dass weiß ich … Sorry dafür…

Was man als unmittelbarer Angehöriger für einen immensen Druck hat, können nur Menschen verstehen und nachvollziehen, die selbst in dieser Situation waren oder sind. Niemand anderes. Meine Sätze waren damals immer wieder „alles lastet nur auf mir“, „ich gehe kaputt hier“…. Diese Belastung damals, arbeiten gehen 100% und zuhause geht es weiter, nur noch Pflege hier und Pflege da, weil ihn kaum jemand ganz alleine versorgen konnte, ständiger Ansprechpartner zu sein, ständig „Yvooooonne, kannst du mal kommen….“ zu hören, keine Privatsphäre mehr und wenn jemand ausfällt, ist es ganz klar wer den Dienst übernimmt. da spielt es keine Rolle wenn ich morgens nach dem Nachtdienst direkt zum Frühdienst musste…. Irgendwann ging es dann nicht mehr und ich habe auf Intensivstation reduziert und bin Vollzeit zum Intensivpflegedienst gewechselt. Manchmal bis zu 300 Stunden zuhause gearbeitet und 50% auf Intensiv. Bis ich wieder reduziert habe auf geringfügiger Basis.

Ich könnte euch jetzt noch erschreckende Geschichten erzählen, welche DInge so vorgefallen sind, aber das möchte ich gar nicht. Ich möchte an die schönen Momente denken, ohne den ganzen Ärger, die vielen Ängste, die unmengen an Sorgen die mich kaum noch schlafen gelassen haben. Wenn ich damals bei Gesprächen dabei war, wo es um „Kleinigkeiten“ ging und daraus ein Problem gemacht worden ist, bin ich innerlich ausgeflippt.

Das alles erlebt zu haben, hat meine Gedanken bzgl Problemen schon sehr verändert… Heute weiß ich, was richtige Probleme sind und Verzweiflung bedeutet.

Trotz all den negativen Erfahrungen hatten wir so viele unglaublich schöne und lustige Momente. Ich habe es geliebt wenn Max, sein Sohn bei uns geschlafen hat und wir, mit Hilfe des Deckenlifters, eine Höhle gebaut haben…. Wir haben gerne Höhlen gebaut Wie oft hatten wir Freunde zu Besuch und haben gefeiert, auch mal so lange, dass Frank den Sprachcomputer (Bedienung mit den Augen) nicht mehr bedienen konnte und nur noch ein Kauderwelsch an Buchstaben zu lesen war und fast im E-Rolli eingeschlafen wäre Ja, Bier kann man auch über eine PEG (Magensonde durch die Bauchdecke) bekommen und vieles andere auch. Thermomix Stufe 10 macht alles klein

Wir haben immer versucht so normal wie möglich zu leben und waren viel gemeinsam mit dem Auto unterwegs. Wenn ich nicht wusste wo es lang ging, hab ich einfach in den Rückspiegel geschaut und Frank hat entweder nach links/rechts oder geradeaus geschaut. Ist doch ganz einfach…. Auch hat es der E Rolli locker geschafft, mit zwei Personen über die Straße zu fahren, dass war wahrscheinlich ein Bild für die Götter Wir wollten nicht ständig die Krankheit in den Vordergrund rücken lassen, die ALS war da, ja…. aber sie sollte möglichst nicht alles bestimmen und einnehmen.

Ich würde sagen, wir waren damals als Paar sicher ein echter Hingucker und Frank hat mir ganz bestimmt das ein oder andere Mal die Show gestohlen. Denn wenn wir unterwegs waren, fielen meistens die Blicke auf ihn Für mich war das aber okay

Unsere Beziehung zerbrach nach zweieinhalb Jahren, danach waren wir immer noch beste Freunde. Bis zum letzten Atemzug im Juni 2023

(Das Bild entstand einige Jahre nach unserer Beziehung, glaube es war 2022)