Spoiler, es ist passiert. Ich hab mich maximal verarschen lassen. Ich, der Klugscheißer vorm Herrn, der Besserwisser und Korinthenkacker, hat eins aufs Maul bekommen. Aber so richtig. Wenn ich was mache, dann richtig. Auch wenn ich mal ins Klo greife, auch dann schepperts im Karton. Oder auf meinem Konto. Immerhin, 50.000,00 Euro hat bestimmt noch niemand aus eigener Tasche für die Anlage einer Trachealkanüle (TK, Kanüle, Tracheotomie, Stoma) gezahlt.

Genauso gut hätte ich mir das Teil aus purem Gold anfertigen lassen können. Wobei ich da ernsthafte menschenrechtliche Bedenken hinsichtlich des Abbaus von edlen Metallen hätte. Vom Umweltschutz ganz zu schweigen, das ist gar hoffnungslos.

Insgesamt 41 aus der ‚Nutz’tierindustrie gerettete Kühe ein ganzes Jahr versorgen, das hätte man machen können mit dem Geld.

Naja, immerhin habe ich gerade die siebte Kanüle in nur zweieinhalb Monaten geliefert  bekommen.

Erst bekommst ein Krankenhausmodell. Dann die „eigene“ Kanüle, so mit der richtigen Beschaffenheit und Größe. Die geht noch in der Klinik undicht und muss notfallmäßig getauscht werden. Leider erwischt das Krankenhauspersonal die falsche Kanüle. Dien Pflegedienst bestätigt aber die Richtigkeit des falschen Modells. Also setzt man dir die falsche ein. Das wird korrigiert, indem man einen Tag vor der Entlassung wieder die Kanüle tauscht.Der ganze Mist wiederholt sich daheim. Wird regulär gewechselt, die neue wird undicht und wird gleich wieder notfallmäßig inmitten der Nacht getauscht.

Das relativiert die Kosten. Nicht.

Ja, hallo erstmal, ich weiß gar nicht, ob Sie es schon wussten… Das war noch Comedy. Die jüngeren von euch, alle, werden es googeln müssen. Na jedenfalls, es geht mir gut. Nicht. Am liebsten würde ich sagen, ich habs euch ja gesagt. Aber wem nutzt das schon. Nicht mir.

Faktencheck. Mit Kanüle wird gar nicht alles besser.

Die Atemprobleme werden nicht besser. Habe ich jeden Tag.

Die Panikattacken verschwinden mitnichten. Krasse Beruhigungsmittel wie Tavor 2,5 mg brauche ich jetzt quasi als Festmedikation, um überhaupt den Tag zu überstehen. Es ist schon was anderes, wenn die Maschine alles macht. Wenn ich mal mehr Luft brauche, Pech gehabt, Triggern is nich mehr. Beim Sex stöhnen? Klar, geht mit immer gleichen 12 Atemzügen pro minute super. Kannst ja eh nicht über Mund und Nase ausatmen. Wird alles totgeschalten da oben.

Wir saugen übrigens viermal häufiger ab als mit NIV Maske. Und praktisch jedes Absaugen in der Kanüle ist gleichermaßen lebensnotwendig wie lebensbedrohlich. Und doch gibt es Pflegekräfte, die der Meinung sind, dass die medizinischen Leitlinien für sie nicht gelten würden, weil, ja weil, boah weil sie bescheuert sind. Keine Ahnung, diese Diskussion bin ich leid.

Wer deutsche Hygienestandards der Medizin nicht einhält ist bei mir falsch. Sage ich auch jeder Fachkraft gerne persönlich. Könnte ich es mir aussuchen, würde niemand bei mir arbeiten, der entgegen Leitlinien und entgegen meinem ausdrücklichen Wunsch unsteril absaugt.

Steriles Arbeiten, noch so ein wunder Punkt. Was ich da schon für Diskussionen geführt habe. Es gibt genügend Dinge, über die man mit mir vorzüglich diskutieren kann. Aber eine Diskussion darüber, ob man an einer blutfrisch angelegten Kanüle nun wirklich steril arbeiten soll, weil daheim ist es eh nicht steril und im Krankenhaus sei ja auch richtig dreckig gearbeitet worden…

Erstens, das war ein Zitat, genau so habe ich es gehört.

Und zweitens wollen wir mal festhalten, dass ich im Krankenhaus noch nie eine Infektion oder einen Keim bekommen habe. Nicht einmal während meiner vier Wochen im November und Dezember letzten Jahres, wo doch dreckig gearbeitet wurde.

Daheim dagegen so oft, dass wir mittlerweile immer Antibiotika daheimhaben, falls Stoma, PEG oder Zeh mal wieder entzündet sind. So wie zufällig gerade jetzt auch wieder. Also, alle viere entzündet. Kanüle entzündet. PEG entzündet, kommt richtig fies viel Eiter raus. Pufi naja, die Meinungen gehen auseinander, am Montag kommt mein Urologe. Mein Zeh, tut weh. Ich frage schon gar nicht mehr nach Fotos. Mir reicht das Statement aus der Übergabe, es sei entzündet und die Wunde sei offen. Mein Hausarzt jedenfalls hat nicht die Kapazitäten, deswegen jede Woche einen Hausbesuch abzustatten.

Und drittens, und überhaupt, was soll ich da diskutieren?

Getoppt wird das nur noch von der Diskussion darüber, dass ganz sicher destilliertes Wasser steril ist. Ist nicht bös gemeint, wenn du das liest. Und ich weiß, dass du das liest. Und du bist einer der besten. Aber destilliertes Wasser für die Kühlung vom PKW spritzen wir bitte nicht mit Salz gemischt als Elektrolyte in meine Venen. Das ist nur einfach sachlich ganz hart falsch und kann mein Leben koste.

Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal… die Kolleg*innen fragen, ob man den Pufi wie eine PEG mobilisiert. Nein, verdammte Scheiße, tut man nicht. Wen wunderts, dass der am laufenden Band entzündet ist.

Und so, wie man an der Blase steril arbeitet – Scheiße, echt,  ich könnte echt heulen, was glaubt ihr eigentlich, wozu im Katheter-Set sterile Handschuhe sind – arbeitet man auch an meiner von Wildfleisch blutend übersäten TK steril. Ist leider zu viel verlangt. Weder an meiner Blase noch an meinem Stoma wird durchgängig steril gearbeitet.

Jeder weiß das, keiner tut was, denn ich habe keine Wahl. Damit, dass ich das hier so offen schreibe, verärgere ich nicht einmal wen. Denn meine eigenen Hygienevorstellungen vertreten nur drei meiner Pfleger*innen. Also, nicht drei im aktuellen Team, sondern von allen Pflegekräften, die mein Pflegedienst in den vergangenen eineinhalb Jahren geschickt hat, vertreten nur drei meine Vorstellung von Hygiene. Schau dir doch nur einmal eine Gänsegurgel vom Hustenautomaten an, die zwölf Stunden nicht gereinigt wurde. Nein, mir ist es verdammt nochmal scheißegal, dass man das angeblich so macht. Ich will das nicht. Ich hatte schon zwei Lungenentzündungen.

Mit großen Kulleraugen standen sie alle da. Wie ist es nur möglich, dass ich in meinem hermetisch abgeschotteten Beatmungskreislauf und meiner von der echten Welt abgeschotteten Umgebung so etwas wie eine Lungenentzündung einfangen?

Schwamm drüber. Einigen wir uns darauf, dass ich keine dritte Lungenentzündung brauche und wir die Gänsegurgel nach jedem Gebrauch gründlich spülen, damit sie für den nächsten Einsatz weitestgehend keimfrei einsatzbereit ist.

Denn was mit Maske noch immer irgendwie gut ausgegangen ist, mehr oder weniger, ist jetzt mit Kanüle ein Spiel mit dem Leben. Was voll mein Ding ist. Wenn ich selber damit spielen darf. Jetzt aber spielen andere mit meinem Leben und das finde ich scheiße.

Mit Maske war irgendwie alles einfacher. Was soll ich sagen. Doch, war es halt schon. Nach zweieinhalb Monaten sehr, sehr, ernsthaft sehr viel nüchterner Bedenkzeit kann ich nur sagen, ich habs euch ja gesagt.

Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel psychischen Stress, so viele physische Schmerzen, einen so abartigen Berg an Medikamenten und so viele Entzündungen hintereinander wie ich es seit Anlage einer Trachealkanüle hatte. Ich musste auch noch nie so oft über Hygiene diskutieren. Glaub mir, mich macht das kaputt.

Nicht meine Meinung, sondern messbare Tatsache. Ich habs euch ja gesagt. Natürlich hatte ich Recht. Ich habe immer recht. Außer wenn ich nicht recht habe. Sehauen wir mal, ob ich Recht behalten werde, vor dem Gericht.

Es würde sich lesen wie ein Krimi. Würde ich dir die ganze Geschichte erzählen. Vielleicht tue ich das eines Tages. Aber heute, nicht. Ich bin noch nicht zu einem Urteil darüber gekommen, wie stark das meine gerichtliche Klage gegen die AOK, meine Krankenkasse Schrägstrich Krankenversicherung und Pflegeversicherung Schrägstrich Pflegekasse zu meinen Ungunsten beeinflussen würde. Es geht um viel Geld. Scheiße nochmal, um viel Geld geht es.

Es stinkt mir gewaltig, dass ich des entzündeten Wildfleischs wegen übermorgen wieder für mehrere Tage in die Klinik darf, um mich erneut unters Messer legen zu lassen.

Es zehrt noch immer  an meinen Nerven, dass ich mit allem, was ich vorher über die Kanüle sagte, recht hatte. Zum reiern, ist echt anstrengend, auch wenn das die wenigsten nur verstehen werden, wie scheiße anstrengend das ist.

Ich dachte wenigstens, mit meinen Klinikbesuchen hätte ich abgeschlossen.

War nicht mein Wunsch, von Ende November bis Silvester auf der Intensivstation zu verbringen. Ach halt, ein Wochenende wurde ich gegen meinen ausdrücklichen Wunsch, gegen Widerstand aus den eigenen Reihen, entgegen Leitlinie – okay, okay, vergiss die Leitlinie. Ich wurde auf die Normalstation verlegt, wo noch niemand vorher einen beatmeten Patienten gesehen hatte. Man könne ja im Notfall auf der Intensiv anrufen. Schon der Transport dorthin wäre fast gescheitert, weil sich Pfleger*innen weigerten, mich auf eine Nicht-Intensiv zu schieben. Der einzige Grund, wieso das dann schlussendlich doch vollzogen wurde, ist, dass das Krankenhaus bekanntlich in keinem Fall die lebenswichtige 1:1 Versorgung leisten kann und deshalb zugunsten meines eigenen Pflegedienstes (der mich begleitet und versorgt hat) keine Intensivpflege mit der Kasse abrechnet. Oder… doch?

Doch. Haben sie. Und die Krankenkasse zahlt ohne Rückfragen, obwohl die Mitnahme des eigenen Pflegedienstes im November bereits mit der AOK besprochen wurde.

Schriftstück? Alter, scheiß aufs Schriftstück. Der Heli der Klinik stand 30 Meter vor meiner Haustür, zwei Notärzte plus Sanis und meine besorgten Eltern standen an meinem Bett, über de große Fensterfront sah ich das Blaulicht vom zusätzlichen RTW reflektieren.

Viel mehr weiß ich nicht. Tagelanger (übrigens messbarer) Sauerstoffmangel trotz Beimischung von 5 l/min reinen Sauerstoffs haben meine Aufmerksamkeitsspanne dramatisch gen Null stürzen lassen. Ich würde so weit gehen zu behaupten, ich wusste zeitweise nicht einmal mehr, wie man das Wort „Antrag“ schreibt. Geschweige denn, welche Bedeutung das Wort innehat. Dazu müsste ich es ja überhaupt mal verstanden haben, was du mir sagst.

Ich lag aber tagelang von meiner ALS Erkrankung paralysiert und von einer immanenten Überdosis Diazepam und Novalgin sediert da und verweste. Hätte nicht gedacht, dass man so lange aufs Waschen verzichten kann, aber wenn die panikhafte Angst vor jeder noch so kleinen Berührung nur groß genug ist, Dann passieren gar komische Dinge im Hirn.

Für deine Umwelt ist das Ganze noch viel dramatischer als für dich selbst. Das bekommst du mit, was deine Panik noch weiter anschürt und deine Liebsten noch mehr verunsichert. So hat sich bei uns über mehrere Wochen eine teuflische Spirale gebildet, aus der es nur noch einen Ausweg gab. Ich musste mich unters Messer legen lassen. Einmal in die Brust rammen und drehen, damit sich die Wunde nicht schließt. Kanüle rein, zwischen Luftröhre und Mund einen gefühlstechnisch widerlichen Ballon aufpumpen, sodass die Luft der Beatmung nicht entweichen kann. Hat mir keiner gesagt. Aber das Ziel ist klar. Wie verschleimt ich auch sein mag (bei Maske ein Problem), künftig sollte die Luft direkt in die Bronchien gepumpt werden. So viel zur Theorie jedenfalls.

In der Theorie kannst du mir jetzt auch den Kopf abhacken und ich werde weiteratmen als wäre nichts gewesen. Musst halt oberhalb des Cuffs, so heisst der Ballon korrekt, treffen.

Bei allem versuchten schlechten Scherzes aus heutiger Sicht, für meine Eltern waren das schwierige Wochen. Aus Ihrer Sicht muss man sich das mal vorstellen. Sie rufen aus dem Krankenhaus die Kasse an, klären den Krankenhausaufenthalt und die Mitnahme des eigenen Pflegedienstes. Was schriftlich von der Kasse angefordert wird, liefern wir unverzüglich per E-Mail. Es war ja auch alles von langer Hand geplant. Keine unerwartete Geschicht.

Mit meiner persönlichen Ansprechpartnerin habe ich eine außerordentliche Kommunikationsbasis gefunden. Ein echtes Vertrauensverhältnis. Nicht. Der Antrag und die Dinge nahmen ihren Lauf. Mein Vater hielt regen telefonischen Kontakt mit der AOK und hielt meine Ansprechpartnerin über alle Dinge am laufen. Vertrauensverhältnis und so. Mein Dad war ganz aus dem Häuschen, war für eine tolle Mitarbeitende der AOK ich da erwischt hätte. So zuverlässig, zuvorkommend, kompetent, freundlich. Immer voll auf meiner Seite. Sowas von auf meiner Seite. Ganz angetan von mir, sie kümmere sich so toll um alles. Ich müsse nichts machen außer gesund werden. Also, insoweit man bei mir von gesund sprechen kann, versteht sich. Mit keinem Wort wurde all die Wochen erwähnt, dass es möglicherweise Probleme mit der Abrechnung geben könnte. Naa dann.

Nach der OP ist vor der OP.

Ironie des Schicksals, dass nur Novalgin gegen unvergleichbar stärkere Schmerzmittel getauscht wurde. Im Angebot hätte ich da alle drei Stunden 3,75 mg Piritramid i. V. (besser bekannt unter dem Markennamen Dipidolor, liebevoll Dipi genannt), Oxy sublingual (Oxycodon), Tilidin (Tropfen, das gute Zeug), Morphium sublingual Tropfen, Fentanyl Pflaster (die Dinger, die wir früher ausgekocht haben),  Fentanyl sublingual und 100 ug Fentanyl Nasenspray (ergibt 200 ug Fentanyl auf einmal pro Anwendung – stell das mal gegenüber meiner Pflaster, die 50 ug pro Stunde abgeben, dann bekommst du eine ungefähre Vorstellung, wie schmerzhaft der tägliche Verbandswechsel ist).

Das Diazepam, auch bekannt unter dem Markennamen Tavor, ist in BTM pflichtiger Menge geblieben.

Mit Kanüle wird alles besser? Ähm. Nein. Ernsthaft. Einfach nein.

Mir hat niemand vorher gesagt, dass man mit Kanüle den Geruchs- und Geschmacksinn verliert.

Weshalb ich nach 25 Jahren das Rauchen aufgegeben habe. Und das Kiffen.

Es sagte mir auch niemand vorher, dass der Cuff-Druck regelmäßig geprüft werden muss, was ich echt unangenehm finde. Ich hasse es, wenn jemand an meinem Hals rumfummelt. Und jetzt soll ich mich daran gewöhnen, dass jemand eine Wasserbombe in meinem Mund aufpumpt. Daran werde ich mich nicht gewöhnen. Ich konnte es 44 Jahre lang nicht ausstehen, etwas am Hals zu haben. Wieso sollte sich das ausgerechnet jetzt ändern, wo ich etwas richtig hässliches und vor allem übelst schmerzhaftes am Hals habe.

Apropos, wenn man nicht aufpasst, entledigt sich die Druckpumpe nicht langsam, über, naja, sagen wir zehn Sekunden. Auf den Maximaldruck meines Halses (30 Wasauchimmer, Quecksilbersäule oder so, vermutlich. Nö, das löst sich ein dumpf hörbares „Peng!“. Gefolgt von einem gefährlichen „Zischhh“, das an eine beim Aufpusten vergessene Luma (Luftmatratze) erinnert. Ein halbe Sekunde beor die Luma platzt. Komisch. Anfühlen tut es sich, als platze die Matratze, also, das Ding in meinem Hals. Cuff, so hieß das.

Nein, es ist mitnichten alles besser. Jedes Problem der Maske ist jetzt ein fünfmal so schlimmes Problem der Kanüle.

Ich höre noch deine Worte, mit Kanüle wurde noch nie jemandem der Schlauch aus Unachtsamkeit vom Hals gerissen. Bullshit. Das letzte Mal vorgestern passiert. Insgesamt? Hab aufgehört zu zählen und Lebe damit. Lasse mir dann halt mittags nach der Pflege schon Tavor geben. Ich habs ja gesagt, dass genau das passieren wird. Ich würde mich freuen, würde ich irren.

Warum das keiner weiß? Weil sich keiner traut, das Maul aufzumachen, aus Angst, die ihn Pflegenden zu verärgern. Keine Wahl und so. Tu ich ja auch. Weil das Wohl aller wichtiger ist als Wohl eines Einzelnen. Mann, bin ich ein Gutmensch. Und Angeber.

Im Ernst. Abgesehen davon, welcher wie ich vollversorgte Patient ist schon in der Lage, seine Wünsche zu äußern? Die meisten sind doch eh nur Gemüse.

Und so kommt es denn, dass ich zu Silvester zwar pünktlich wieder daheim war, aber mit der Last vieler Probleme entlassen wurde.

Hast du schon mal gesehen, dass ein Patient mit Venenzugang entlassen wurde? Weil er so unvorstellbare Schmerzen hat, dass man ihm alle paar Stunden die stärksten Opioide direkt ins Blut spritzen muss oder Gefahr läuft, ihn zu verlieren.

Aber gut. Es wird besser.

Und dann mal wieder schlechter. Ein Auf und Ab der Gefühle.

Seit der OP sind zweieinhalb Monate vergangen. Es wurde nicht besser. Das entzündete Wildfleisch muss abgetragen werden.

Was nur eine beschönigende Wortwahl dafür ist, dass man mich in der normalen Athmosphäre mit reinem Sauerstoff beatmet, bis mein Körper maximal mit Sauerstoff übersättigt ist.

Was nur ein schöneres Wort für vergiften ist.

Dann werde ich sediert. Hm. Wieder vergiftet. Aber mit zum Zweck, mein Hirn auf Stand Bye zu schalten.

Empfinde ich als höchst entspannenden Zustand. Einfach mal nichts tun. Einfach nichts tun. An nichts denken. Über nichts nachdenken. Nicht über die Multiverse, nicht über unsere Galaxie. Über den Planeten, den wir parasitär vergewaltigen und in unserem Eifer dabei vergessen, dass sich Planet Erde eben nicht von 1,5 Grad globaler Klimaerwärmung erholen wird. Game over. Das wars. Artensterben, Vernichtung aller elementarer Lebenräume wie wir sie kennen. Messbare Daten. Nicht meine Meinung. Ist so. Kam sogar im linearen Fernsehen. Radio. Ich habe gar kein Auto.. äh, keinen Fernseher. Ich habe auch kein Auto. Vielleicht sollte ich auch das Webradio abschaffen und einfach über gar nix mehr nachdenken.

Nicht darüber nachdenken, dass sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Woche feststellte, dass Satellitendaten das Scheitern der Klimaziele beweisen. Das kann man Messen. Ein Nebensatz in den Nachrichten war es dem BR wert. Am selben Abend schon aus der Berichterstattung verschwunden. So, dieses Level von denial.

Hey, der Beneke hats zwar vor nem knappen halben Jahr schon gesagt, dass Sattelitendaten das Verfehlen der Klimaziele beweisen. Man kann die Erdtemperatur schließlich messen. Aber wer glaubt schon jemandem, der mehr Ahnung davon hat wie jeder einzelne unserer Klimaforscher, aber aus Überzeugung vegan lebt und um Ressourcen zu sparen immer dasselbe trägt. Und ständig auf Messungen rumhackt statt dumme Meinungsmache zu machen.

Ich verstehe gar nicht, wieso AFDler immer über diese Tatsache von Messbarkeiten diskutieren wollen. Nochmal für Braune, äh Dummies, das kann man messen. Was glaubst, wozu wir über 7.500 Satelliten da oben haben? Zum Regnen lassen von sich selbstimplantierenden Mikrochips reichen Bill dank eingekauftem ChatGPT ein Bruchteil davon. Nee. Wir messen damit tatsächlich das Erdenwetter, stell dir vor. Und das war nicht alles. Wir können ziemlich genau hochrechnen, wie es wann wird und wann es wie wird. Ruhig, Brauner, das ist nicht das gleiche. Unter Berücksichtigung einer gewissen Unschärfe können wir jedenfalls mit statistisch zweifelsfreier Sicherheit sagen, dass es scheiße wird.

Wann kann man schon mal mit was sicher sein? Wo gibt’s denn sowas? Das erlebt man nicht alle Tage. Da fallen schöne Urlaubsziele weg, die du wegen der Öl-Lobby billigst zu Lasten der Umwelt hättest anfliegen können. Die Malediven, Madagascar, Venedig, oh hier, ja, das Great Barrier Reef mit seinen Milliarden Tonnen in der Biomasse der Korallen gebundenem CO2. Alles weg bis 2050. Könnte aber auch sein, dass das 300.000 Quadratkilometer große Weltnaturerbe bis dahin eh tot ist. Die Hälfte haben wir bereits getötet, haben nur dreißig Jahre dafür gebraucht.

Mal im Ernst, ich weiß nicht, wie viel CO2 im Great Barrier Reef an der Ostküste Australiens gespeichert werden, aber mal im Ernst, es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich darüber nachdenke. Und Gänsehaut habe ich und mir läuft eine Träne aus dem rechten Auge. Hat das jemand bedacht? Im Ernst, wenn die Wassertemperatur in dreißig Jahren so hoch ist, dass alle Korallen des Riffs zu Kalk verwest sind und der Meeresspiegel steigt, dann brechen die Kalkskelette wie Streichhölzer und es werden Unmengen an CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Jetzt mal wirklich ernsthaft, haben sich Politik und Wissenschaft darüber Gedanken gemacht?

Dagegen wirkt es wie Kindergarten, dass Hamburch verschwindet. Die sie eh schon wöchentliche Überschwemmungen gewohnt. Ironie des Schicksal, dass sich meine Freundin dann eine neue Bleibe suchen muss, vielleicht in dem süddeutschen Venedig namens Münchens.

Während meine Asche leider schon im Tegernsee schwimmt. Warte mal, ist der Tegernsee ein Gletschergewässer? Die Alpengletscher sind 2050 auch weg, zu warm alles. Da muss ich das mit der Seebestattung nach einer Überdosis Heroin sobald meine Augen schlapp machen und ich nicht mehr kommunizieren und selbstbestimmt leben kann, nochmal mit Satellitendaten abgleichen.

Ich frage mich, welche Bank so bekloppt ist und langfristige Kredite vergibt für den Bau von Skianlagen. Das doch klar, dass die nie getilgt werden werden. Oder eine Baufinanzierung in, sagen wir, Bremen, Bremerhaven oder Wilhelmshaven. In dreißig Jahren alles weg. Gemessen. Nicht meine Meinung. Drei oder vier Sätze an weniger als 24 Stunden nur eines Tages in den Medien. Dann, einfach nicht mehr dran denken, scheint die einhellige Meinung in Volk und Politik zu sein.

Ja nee, is klar. Das ist ungefähr so, wie wenn du mir sagen würdest, vergiß die letzte Animals‘ Angels Pressemitteilung. Sie stehen knöcheltief in einem Schlammgemisch aus Exkrementen und Urin. Viele der Tiere leiden an Atemwegsproblemen und hochgradig entzündeten Augen. Luiz, einer der Bullen, ist bereits am 08.01. gestorben. Sein Leichnam ist mittlerweile in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung, von den übrigen Tieren zertrampelt und kaum noch zu erkennen. Kann ich nicht. Wir exportieren Lebend-Rinder an Nicht-EU Staaten, die nicht mal auf dem Papier ein Tierschutzgesetz haben?

Alter, wie sehr hamms uns schon ins Hirn gschissen. Kein Wunder, dass die AFD so hohe Umfragewerte hat. Wie soll das denn bitte mit geltendem EU-Recht vereinbar sein? Das besagt, dass die Tierschutzbestimmungen am Zielort außerhalb der EU mindestens dem europäischen Standard entsprechen müssen. Halloho? Schon vergessen? Marokko hat gar kein Tierschutzgesetz. Das ist doch irre.

Und das ist noch nicht alles. Wir liefern sogar lebendige Tiere in den Iran. Also, bei Abfahrt sind sie lebendig. Ein paar Verluste gibt es immer. Du weißt, ich scherze nicht um solche Dinge. Es ist billiger, Tiere in Deutschland zu züchten und lebendig bis teilweise tod um die halbe Welt zu fahren und dabei mehrfach internationales Recht zu brechen, als eine lokale Zucht zu etablieren.

Und wir diskutieren um vier Cent pro Kilo für ein Tierwohllabel. Kein Scherz, das alles. Außer dem Tierwohllabel. Das ist noch mehr Verarsche als die Verarsche meiner Krankenkasse. Wer Wert auf Tiere und deren Wohl legt, der lebt vegan. Nicht schlimm, wenn du nicht vegan lebst. Aber dann bedeuten dir Tiere und deren Wohl halt nichts. Ich hab auch Jahrzehnte behauptet Naturschützer zu sein und hab mir abends verstümmeltes Tier in die Pfanne gehauen. Und doch, für unseren Hund wäre ich durchs Feuer gegangen. Dummerweise ist das wiederum keine Tierliebe, sondern verfickter Speziesismus.

Meine Tränen haben mit Freude nichts zu tun. Um das zu vergessen, musst du mir den Kopf abhacken. Um nicht dran zu denken, also in Zehnerschritten brauchen wir nicht anfangen mit dem guten Propofol. Da zähle ich die noch alle Primzahlen bis Tausend auf, bevor ich müde werde. Und irgendwann wache ich danach ja in der Regel wieder auf. Die Realität holt dich immer ein. Ob illegal konsumiert oder auf dem Operationstisch, die Realität holt dich immer ein.

Bei mir hat sie nicht viel aufzuholen, die Realität. Ich versuche gar nicht, ihr zu entkommen. Die besten Freunde werden wir trotzdem nicht. Dafür ist sie viel zu scheiße, die Realität. Und ich rede mitnichten von der jetzt folgenden OP. Die ist schnell rum. Zwei, drei Tage im Klinikum und schon geht es heim. Theoretisch. Schon bald ist der Krankenhausaufenthalt vergessen. Nicht.

Nicht. Theoretisch, nicht. Praktisch, nicht. Die Scheiße verfolgt mich. Post von der AOK im Briefkasten. Es geht um meine beiden Krankenhausaufenthalte im November und Dezember letzten Jahres. Man habe es sich anders überlegt. Ich antworte. Wie es in den Regenwald schallt…

Hiermit lege ich form- und fristgerecht Widerspruch zu Ihrer Einzelfallentscheidung in obiger Sache ein.

Wie der von Ihnen beauftragte medizinische Dienst festgestellt hat, steht mir auch nach neuer Rechtslage eine 1:1 Versorgung zu, da diese lebensnotwendig ist. Das Gutachten wird gestützt durch gleichlautende  Stellungnahmen hochrangiger Experten, die ich auf Nachfrage gerne vorlege.

Das Klinikum kann diese lebensnotwendige 1:1 Versorgung nicht leisten. Das belegen nicht nur meine auf Ihre Nachfrage eingereichten, mehr als ausführlichen Erfahrungsberichte, sondern auch die Zeugenaussagen meiner Pfleger*innen und insbesondere die Stellungnahmen des klinikeigenen Personals.

Insofern sind mE alle von Ihnen genannten Einzelnormen nachrangig, was meinen Widerspruch begründet.

Sollte mein Grundrecht auf das Recht, selbstbestimmt zu leben, während eines Klinikaufenthalts ausgesetzt sein – und sollte dies höchstrichterlich festgestellt werden – mache ich die mir entstehenden Kosten im Rahmen einer Schadenersatzklage gegen Sie geltend.

Sie wussten bereits im November 2023 um alle Umstände, haben meinen Vater und mich jedoch in unzähligen Telefonaten bis Anfang 2024 in absoluter, bedenkenloser Sicherheit gewogen.

Ihre Einzelfallentscheidung begründen Sie damit, dass außerklinische Intensivpflege für den Zeitraum eines Krankenhausaufenthalts grundsätzlich nicht verordnet werden kann. Über einen so wichtigen Grundsatz hätten Sie Bescheid wissen müssen. Niemals hätte ich einem solchen Klinikaufenthalt zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass mich dies rund 50.000,00 Euro kosten wird. Das ist vollkommen absurd.

Man hätte andere Lösungen in Betracht ziehen müssen und können, beispielsweise die familiäre Begleitung wie vormals praktiziert. Bei allem nötigen Respekt wegen übervoller Schreibtische; mir diese „kleine Information“ mitzuteilen kann und darf keine sechs Wochen in Anspruch nehmen. Einen mir durch Ihr schuldhaftes Verzögern entstandenen und noch entstehenden Schaden mache ich in jedem Fall gegen Sie geltend.

Joa, so und nicht anders schauts mal aus. Ich wünschte, ich könnte es ändern. Von Zeit zu Zeit verliere ich den Mut. Das Ganze hat schon ein Geschmäckle, würde der Franke sagen. In meinem Fall gibt es nur noch eine Geschmacksrichtung. Bitter stechend scharf, je nachdem, wie es um die Mundpflege bestellt ist variiert der Geschmack von eher altblutig bis Erbrochenes. Hat mir auch keiner gesagt, dass durch die Kanüle erst der Geruchsinn verschwindet und damit über kurz oder lang auch die Konditionierung des Geschmacksinns floten geht. Was bleibt, ist der einzige Geschmack, den das Hirn mit einer gewissen Regelmäßigkeit wahrnimmt: Blut durch faule Gewalt beim Absaugen und dem, was so manche Mundpflege nennen und Erbrochenes durch zu hohe Lagerung meiner Hüfte. Ich verstehe bei solchen Dingen gar nicht, wie sich solche Abwandlungen entwickeln. Es sollen nur meine Sitzhöcker frei gelagert werden. Keiner hat was vom Turmbau zu Babel gesagt.

Es gibt Mundpflegestäbchen mit Geschmack, ja, die gibt es. Man kann sich solche auch selber basteln. Neutrales Stäbchen in die Suppe rein, Spender einer Geschmacksexplosion sein. Nicht.

Wie genau stellst du dir das vor? Da schiebt dir jemand ein Krankenhaus-türkises geruchloses Stück Kunststoffschwamm in den Mund und sagt „Na? Das ist aber gut.“. Nicht. Das beurteile ich lieber selbst und ich finde es lächerlich.

Es gibt (medizinische) Dinge in meinem Leben, die sind nunmal notwendig. Damit kann ich super leben. Ich finds scheiße und beschönige nichts, aber ich akzeptiere mit messbaren Daten belegte Gegebenheiten schnell. Was ich ganz schlimm finde ist, wenn dir jemand ohne Kanüle erzählt, wie viel besser alles mit Kanüle wird. Nicht. Wird es nicht.

In dem Zusammenhang stellte ich mir die Frage, wieso vereinzelt Betroffene in den einschlägigen Foren ebenfalls voller Inbrunst darauf bestehen, wie toll doch alles mit Kanüle ist. Ich habe nur eine Erklärung. Lassen wir mal drastischere Eingriffe wie Dialyse und künstlerischen Darmausgang außen vor, so ist die Kanüle die letzte Haltestelle vor dem Henker oder Bestatter, im Falle der Kanülenbefürworter vermute ich den Bestatter. Für den Henker fehlte die Furchtlosigkeit vor dem Tod. Das klingt schrecklich. Ich denke, es hilft manchen Betroffenen, sich nicht alleine  damit zu fühlen. Mir? Nicht.

Ich sehe die Dinge anders. Für mich kann das per Definition nicht schlimm werden, weil , naja, dann bin ich tot. Nur für meine Liebsten wird es so richtig kacke. Zumindest gebe ich mir größte Mühen, in der realen und der digitalen Welt so viele Spuren zu hinterlassen, dass ich euch allen auch dann noch auf die Eier gehen werde, wenn ihr längst alle Veganer seid. Oh, Eier, gutes Stichwort. Ich übernehme demnächst gerettete Hühner. Leicht zu reinigende neue Stallung lege ich wenns sein muss auch noch drauf. Wir brauchen nur ein paar schöne Plätze, wo die Viecher einen so wohlverdienten schönen Lebensabend erleben dürfen.

image_pdfSeite als PDF speichernimage_printDrucken