Es durfte gefeiert werden. Und es wurde gefeiert, oh, boy, wurde es gefeiert. Traditions- und standesgemäß geben sich ganz, ganz viele meiner engsten Freund*innen drei Tage lang die Klinke in die Hand. Also, sprichwörtlich geschrieben. Manch eine – was ist denn der Plural von „manch eine“? „Manch weibliche mehrere“? – blieb einfach hier bis gestern. Was einer der Gründe für mein spätes Wiedererscheinen auf der Bildfläche ist.

Damit meine ich nicht die knapp zwei Flaschen Fünfzehnjährigen Gelnmorangie, die meine PEG mal wieder ordentlich desinfiziert haben. Das geile an der PEG ist, dass du immer weiter trinken kannst. Wenn du nicht mehr trinken kannst, trinkst du einfach weiter. Du musst es ja nicht selber. Die Arbeit machen andere Für dich. Wieso ich allerdings elbst als heutiges Mückengewicht alle unter den Tisch trinken kann und keinen Kater bekomme, erscheint irgendwie unlogisch. Ich trinke nur zu zwi, drei Anlässen im Jahr Alkohol. Aufgebaut haben kann selbst ich wohl eher keine Toleranz.

Nur das mit der Augensteuerung ist ab einem gewissen Punkt, nun, sagen wir mal so, es ist problembehaftet.

Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Ich bin 44 Jahre alt. Mein Freundeskreis wird auch nicht jünger. Man muss arbeiten. Arbeiten ist ja sowieso das wichtigste in unserem Leben. Wochenend- und Nachtarbeit sind heutzutage nicht mehr die große Ausnahme, die sie in meiner Kindheit waren, auch nicht abseits von systemrelevanten Berufen. Ich erinnere mich gut an das Drama, als mein Dad eines Wochenendes zu unchristlichen Zeiten raus musste. Übertragen auf heute, wie oft war ich am Wochenende bis tief in die Nacht beim Kunden und habe Systemlandschaften dokumentiert, weil es unter tags im Geschäftsbetrieb nicht möglich ist. Wie oft sind meine Kolleg*innen morgens um halb vier zum Kunden oder in unser Rechenzentrum gefahren, weil irgend eine unternehmenskritische Hardware getauscht wurde. Will sagen, das ist der Zahn der Zeit.

Jene welche, die an meinem Geburtstag nicht arbeiten müssen, alle an einen Tisch zu bekommen, auch das ist nicht so einfach. Die einen haben kleine Kinder und können abends nicht, die anderen haben wichtige Termine außerhalb Bayerns, weil sie unter die Häuslebauer gegangen sind. Oder beides. Häuslebauer und Kinder. Oder Kinder, aber 200km Anfahrt und keinen Babysitter für Sonntag. Aber für Samstag Abend wäre die Kinderbetreuung sichergestellt.

Dann wäre da noch so eine winzige Kleinigkeit, an der ich selbst Schuld bin. Ich mache keinen Hehl daraus, wie offen ich meine Beziehungen führe. Ich liebe meine Freund*innen und obwohl ich ein ziemliches Arschloch sein kann, lieben meine Freund*innen mich. Meine Freund*innen untereinander… ich sage nicht, dass sich nicht alle untereinander ganz grün sind. Aber vielleicht sind sich nicht alle untereinander ganz grün.

Und grad, wenn dir dein Kalender sagt, ja, so könnte es funktionen, kommt so ein Arschloch namens Corona um die Ecke und legt deine liebsten zwei Gäste flach. Bombe.

So kam es, wie es kommen musste. Wie es kommen und gehen musste. Ein Kommen und Gehen. Samstag und Sonntag erst um fünf schlafen gegangen. Kaum machst du mittags die Augen auf, klingeln die nächsten in der Tür. Für Montag morgen haben wir schon mal Reinigungszeug in den Flur gestellt. Als sie in der Früh kam, war das Bad noch mit schlafenden Gästen belegt.

Sehr amüsant fand ich, wie mir meine Logopädin Montag Mittag erzählt, sie habe gerade die gesammelte Partymeute mitsamt dreier Vierbeiner beim Verlassen des Hauses getroffen. „Na, lange Party vorbei?“, fragte sie. Prompt erhielt sie die Antwort. „Wir machen nur Pause für dich.“. Pause für zugunsten meiner wöchentlichen Logopädiestunde, das hieß für mich soviel wie Schluckübungen mit hochprozentigem. Also da weitermachen, wo ich heut früh aufgehört hatte. Auf dass die feuchtfröhliche (nebst anderen Dingen) Party fortgesetzt werden konnte.

Womit dann auch der traditionsreiche dritte meiner Geburtagstage besiegelt wurde.

Eine kleine Auswahl an Fotos findest du in Kürze hier.

Nach meinem Geburtstag falle ich regelrecht in ein Gefühlstief. Das ist nicht neu. Fast alle meine Lieben waren hier. Es wurde gelacht, gesungen, es wurden körperliche Zärtlichkeiten ausgetauscht. Was in meinem Fall eine ziemlich einseitige Geschichte ist, mittlerweile. Kann ich nicht ändern. Müssen wir uns mit abfinden. Überhaupt leben wir in einer verkehrten Welt. Früher konnte die Frau nicht genug Striemen davontragen. Heute hat die Frau Angst davor, mir wehzutun. Und doch haben wir drei Tage gelebt. Und es leben alle weiter ihr Leben. Und ich lebe meins. Leben in Parallelwelten.

Kümmere mich jetzt wieder um fucking Verordnungen, weil mein Pflegedienst noch immer keine IPReG konforme Verordnung außerklinischer Intensivpflege ab dem 31. Oktober von meinem Hausarzt bekommen hat und der leider auch nicht auf meine Nachfragen antwortet. Dem rücksichtslosen Widerling Herrn Spahn und seinem verkorksten RISG Gesetzesentwurf haben alle Betroffenen zu danken. Ist das Beleidigung? Na, dann mal los. Diese medienwirksame Klageschrift will ich sehen. Wäre immerhin die erste Reaktion von Ihnen überhaupt, lieber Ex-Gesundheitsminister.

Da hänge ich glatt noch ein Herr Dr. Lauterbach, Sie Waschlappen, hinten dran. Weil Sie Höschen volles hatten, weil Sie diesen Schwachsinn nicht gekippt haben. Sie feige Marionette. Machen Sie endlich die Augen auf und Erkennen Sie die grausame Realität. Menschen leiden Ihretwegen.

Wer ein bisschen gesunden Menschenverstand und Sinn für soziel Verträgliches hat, findet Ihr Gesetz scheiße. Wenn ich so drüber nachdenke, egal wo, noch nie habe ich etwas Posivites über Ihr Gesetz gelesen.

Erkrankte, Ärzt*innen, Krankenkassen, Gerichte. Alle finden es scheiße. Von Ihrem Gesundheitsministerium, Herr Lauterbach, mal abgesehen, Versteht sich. Gesunder Menschenverstand und Verständnis sozialer Verträglichkeit und so, Sie wissen schon. Ich sage nicht, Sie und Ihr Ministerium hätten keinen gesunden Menschenverstand und kein Verständnis von sozialer Gerechtigkeit. Aber vielleicht haben Sie und Ihr Ministerium ja keinen gesunden Menschenverstand und keinen Sinn für soziale Gerechtigkeit. Was weiß ich schon. Bin ja kein Fachmann.

Mein Pflegedienst kümmert sich jetzt darum. Eine Sorge weniger. Auch wenn mir das unangenehm ist. Die hatten und haben schon genug Stress meinetwegen. Find mal kompetente Intensivpflegekräfte, die Bock auf einen ALS Patienten haben. und ist ja nicht so, dass ich auch im FBI hätte nach einer neuen Verordnung fragen können. Oder bei meiner Neurologin. Ich habe es angeboten. Mehrfach. War nicht gewünscht, hieß es aus der Praxis. Was ich mich überhaupt so aufregen würde. Es sei längst alles erledigt. Ja, nee. Ist es halt einfach nicht, liebe Hausärzte. Stand heite darf ich in zwölf Tagen rund 35.000 Euro monatlich selber zahlen. Irgendwer muss meine Pflege bezahlen. Irgendwer bezahlt immer. Spätestens seit Spahn und Lauterbach ist das immer der Patient.

Immerhin, ich habe alles getan, was ich tun kann. Jetzt kümmern sich andere darum. Bleibt mehr Zeit fürs Lästern, Inhalieren, Coughen, Abführen, Fußbad für meinen eingewachsenen Zehennagel, Wundversorgung des wieder schlechter gewordenen Dekubitus hinterm Ohr. Die üblichen Wehwehchen halt. Der Alltag hat mich wieder. Und fest im Griff.

Für die schönen Dinge im Leben, na ja, dafür fehlt die Zeit nicht. Dafür fehlt die Motivation.

Für die richtig schönen Dinge fehlt die Möglichkeit. Nichts, was in meiner Macht steht. Eine Situation, mit der ich auch mit 44 Lebensjahren offensichtlich nicht umzugehen weiß. After-Geburtstags-Tief und so.

Und doch gibt es sie, die schönen Dinge. Sogar in meinem Leben.

Ihr seid großartig. Bei meiner Geburtstagsspendenaktion haben so unglaublich viele mitgemacht. Damit habe ich nicht gerechnet. Und ich hatte hohe Erwartungen. Meiner Familie erzählte ich, dass ich mit stolzen 2.480,- € gerechnet hätte und bereit sei, diese Summe zu verdoppeln. Dass es am Ende nochmal 50% mehr werden, wer hätte das schon gedacht. Bin ja kein Fachmann. Das war der Fundraiser, den ich von Grund auf alleine aufgezogen habe. Ich wollte keine bekannten Spendenplattformen nutzen, damit deine Spende vollständig dort landet, wozu sie gedacht ist. Und das wird sie. Ich werde berichten. Transparenz ist das Zauberwort. Ehrensache.

Du musst übrigens nicht traurig sein, falls es bei dir nicht geklappt hat. Bei drei Spenden wurde die PayPal Zahlung abgebrochen. Es kam nicht zur Spende. Bei zwei Spenden ging die Überweisung nicht bei mir ein. Es kam nicht zur Spende. Schade. Aber mei. Die nächste Gelegenheit kommt bestimmt.

Von mir persönlich gehen die nächsten Gelder in Richtung Peta und Paul Whatson. Das ist aber wenig gesellschaftsfähig. Auch wenn mir der Kampf gegen den Speziezismus mindestens genauso wichtig ist wie der Erhalt von Lebensräumen, damit gewinnt man keinen Blumentopf. Ich beschäftige mich seit Jahren mit der Frage, wieso wir unserem Hund in die Augen schauen und ihn streicheln. Während wir das Schwein auf dem Peta Plakat anschauen, uns denke „Gott, wie grauenhaft!“. Und fröhlich das nächste Stück abgeschlachtetes totes Tier im Supermarkt für unseren narzistischen Gauemenschmaus einpacken.

Und obwohl ich mich so lange damit beschäftige, hat es Jahrzehnte gebraucht, um mein Leben konsequent umzustellen. Also wer bin ich, dass ich irgendwem vorwerfen könnte, dies noch nicht erkannt zu haben. Nein, das ist noch nicht gesellschaftsfähig. Die Allgemeinheit findet ja schon die Klimakleber scheiße. Was denkt ihr wohl über mich, wenn ich euch sage, dass ich Käse schlimmer finde als ein Steak vom Weiderind. Das Steak-Tier hat es wenigstens hinter sich. Das Milch-Tier trauert bis an sein jämmerliches Lebensende seinem Kalb hinterher. Man hat es im nach der Geburt weggerissen, damit die lebendige Milchfabrik schön weiter produziert. Es gibt keine artgerechte Haltung. Gab es nie. Wird es nie.Der Begriff „artgerecht“ schließt ja gerade jede Form der „Haltung“ aus.

Kein Lebewesen dieses Planeten ist dazu gedacht, „gehalten“ zu werden. Na ja, nach Auffassung des AFD Grundsatzprogramms soll man straffällige Kinder ab zwölf Jahren hinter Gitter bringen können, statt sie zu rehabilitieren. Asoziales Pack von rechts. Kann sich gleich ein schnuckeliges Zimmer mit Jens zusammen nehmen. Werden sich gut verstehen.

Aber das, das ist nun wirklich eine Geschichte für ein andermal. Ich verscherze es mir besser nicht mit dir, solange wir noch so viel Gutes zusammen tun können.

Gehabts euch wohl. Verteilt ein bisschen Liebe.

Hugh. Dein Ökoterrorist.

Wusstest du, dass die Apachen den Ausruf „Hugh!“ gar nicht kannten? Ist eine Grußformel der Sioux. Da reg sich nochmal einer auf über Rassismus in Karl Mays Meisterwerken. Verkehrte Welt.

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