Teil 2 von 3
Probleme, die die Welt bedeuten. Können. Es aber definitiv tun, wenn sie es tun.
Bei Problemen waren wir. Und dafür fange ich einen extra Beitrag an? Tatsächlich, ja. Über die letzten Wochen, Monate und Jahre habe ich immer wieder erleben dürfen, was für ein Unverständnis über meine ALS Erkrankung besteht. Gerade bei medizinischen Fachleuten. PflegerInnen allen voran. Ich finds zum Schießen, wenn ich persönlich dafür gelobt werde dafür, dass ich so viel Stuhlgang hatte. Also mal ganz abgesehen davon, dass ich mich nicht im vierten, sondern im 44. Lebensjahr befinde und das Lob eh höchst sonderlich wirkt. Nein, was ich meine, ist die Tatsache, dass ich da willentlich nicht wirklich beeinflussen kann, obs läuft. Oder eben nicht läuft. Wie ich dwmeine? Steigen wir ein.
Im ersten Moment denkst du dir jetzt vielleicht, was labert der Kerl eigentlich schon wieder für eine Scheiße? Fair point, darüber sprechen fällt den meisten deutlich schwerer als sie zu machen (oder zu bauen). Bei deinem Lieblings-ALSler ist das genau andersrum. An sich habe ich praktisch keine Bauchmuskulatur mehr. Alles, was es mal in Bauch- , Rumpf-, Hüft- und Brustbereich so gab, ist heute ziemlich verkümmert. Bewusst steuern kann ich da nichts mehr. Das bedeutet aber auch, dass ich grundsätzlich, also auch haltungs- und positionsunabhängig, nicht drücken kann. Der Stuhlgang muss auf eine andere Weise überzeugt werden, meinen Körper verlassen zu wollen.
Damit es dazu kommen kann, muss aber erst einmal alles verdaut werden. Was das angeht, habe ich so viele verschiedene Trinknahrungen und Sondenkostprodukte ausprobiert, ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele das am Ende waren. Erschwerend kommt in meinem Fall dazu, dass ich aus Überzeugung vegan lebe. Wenn diesbezüglich irgend jemand einen Tipp hat, wie ich mit maximal 1 Liter veganer Nahrung auf mindestens 2.000 kcal kommen soll und das ohne Soja, ich bin ganz Ohr. Ich habe ein paar Produkte auf Haferbasis gefunden, aber damit komme ich nicht auf meinen Kalorienbedarf. Soja geht wegen Allergie nicht und davon abgesehen erscheint es mir unlogisch, aus Gründen des Tierwohls und des Umweltschutzes auf Kuhmilchproteine zu verzichten und diese zu ersetzen mit einem Produkt, für das der halbe Planet Erde mitsamt seiner wundervollen Tierwelt brandgerodet wird.
Ich habe ja auch Produkte mit Palmöl boykottiert. Ich kann es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, für den Tod von Milliarden von teils hochintelligenten, fühlenden Lebewesen durch Verbrennung verantwortlich zu sein. Falls du nicht weißt, wovon ich rede, mach dir nichts draus. Solche unangenehmen Themen werden gerne todgeschwiegen. Wie die abgefackelten Eltern der fünf Orang Utan Babys auf einem Foto, das der von mir extrem geschätzte Robert Marc Lehmann gemacht hat. Das Foto anzuschauen und die Geschichte dahinter zu kennen zerreißt mir das Herz. Und dabei weiß ich nicht einmal, ob es nicht sogar besser ist, am lebendigen Leib zu verbrennen, oder als Orang Utan rasiert, gefesselt, geschminkt und als Nutte an die Arbeiter auf der Palmölplantage verkauft zu werden. Schluck. Ja. Genau.
Aus Lizenzgründen darf ich das hier wohl eher nicht zeigen, aber frag einfach Dr. Google, wenn dich das Thema catcht.
Was ich aber verlinken kann ist eines von Roberts Youtube Videos zu dem Thema. Entscheide selbst, ob du es sehen möchtest. Das Video findest du hier: https://youtu.be/z8K72iGp1OI
Scheiße.
Echt wahr.
Siehste, passt sogar immer noch zur Überschrift. Von wegen, ich schweife immer ab.
Was eine Ironie, nein, falsches Wort… Schizophrenie? Gefällt mir auch nicht. Egal. Der todkranke ALS Patient denkt sich scheiße, was ist nur mit der Welt und mit der Menschheit los? Das! Genau das macht mich traurig. Nicht meine ALS. Nicht, dass ich vieles nicht mehr kann, so wie früher. Klar fehlt es mir, morgens um fünf aufzustehen und den Sonnenaufgang beim Joggen im Wald zu erleben. Aber bin ich deshalb traurig? Just in dem Moment, wenn ich drüber nachdenke, vielleicht für einen Augenblick. Okay. Aber wie wir – bewusst und unbewusst – die Natur vergewaltigen, das, ja das macht mich traurig. Wahrhaftig und dauerhaft. Und während ich hier schreibe offenbart mir mein Pfleger, wie ernsthaft traurig er ist, weil die Bayern irgend ein Spiel versammelt haben und was das für Auswirkungen das hat. Ich glaube ihm, dass ihn das wahrhaftig traurig macht. Das meinte ich mit schizophren. Oder so ähnlich. Ich will gar keine Wertung vornehmen. Abwertend gleich dreimal nicht. Es fällt mir aber zugegebenerweise schwer, die richtigen Worte zu finden auf die wiederholte Frage, ob wirklich alles okay ist. Ich würde traurig aussehen. Was soll ich da groß erklären, wenn die Dinge, die einem wichtig sind, so derbe auseinander klaffen?
Genug des traurigen Ausflugs in meine Gefühlswelt. Bringen wir wenigstens das Kapitel schnell zum Ende. Den für heute geplanten Part 3packe ich heute nimmer. Also, Probleme. Genau. „Probleme“. Weil das alles noch nicht genug Schikane meines Körpers gegen mich, meiner selbst ist, gilt es dann noch die zahlreichen Nebenschauplätze zu berücksichtigen. Stree, Müdigkeit, anwesende Besucher, Lagerung und Positionierung, ggf. Dekubiti und so vieles mehr.
Und das bedeutet nun was genau? Weshalb haben wir uns die letzten Minuten angetan? Um das große Ganze zuverstehen. Zu realisieren, dass ich nicht mehr „Willkürliche“ scheißen kann. Denn nur, wenn man alle Ursachen kennt, kann man entgegensteuern. Lösungen finden. Genau damit beschäftigen wir uns nächtes Mal.