Mein liebes Tagebuch,
was soll ich sagen, an einem Tag in meinem Leben, der wie so oft in meinem Leben ist, wie kein zweiter. Alles beginnt damit, dass meine Glückssträhne – oder sollen wir es Erfolgssträhne nennen – offenbar noch anhält. Soll heißen, man hat sich heute eine weitere Nacht rührend um mich gekümmert. Nicht ein einziges Mal mit Schmerzen aufgewacht bin ich. Wie das sein kann, wo man mir doch sagte das ginge nicht? Ich weiß auch nicht. Ich bin selbst ganz erstaunt, was es ausmacht, ordentlich und regelmäßig gelagert zu werden. Zwinkersmiley. Deswegen machen wir es ja. Ich liege schließlich nicht zum Spaß hier rum. Muss ja irgendwie rechtfertigen, dass ich mehr als fünf Arbeitsplätze in der Pflege finanziere. Dass genau diese Arbeitsplätze nur die wenigsten wollen, das ist ein anderes Thema und hat, nunja, Gründe. Aber wenn sich jemand in meine Pflege verirrt und sich ein kleines bisschen Mühe gibt, so erntet er sich meinen größten Dank und Respekt. Und das war noch nicht alles. Er hat auch einen chilligen Dienst ohne Notfälle und sonstigen nervigen Quatsch. Weil der Patient seelenruhig die gesamte Nacht schläft.
Und boy, did he sleep well. Gegen zwanzig vor elf klingelt mein innerer Wecker. Ob ich eigentlich gedenke, aufzustehen, bevor meine liebe Haushaltshilfe um elf auf der Matte steht. Wäre vielleicht so verkehrt nicht. Was hätte sie denn zu tun, rattert es durch meinen Kopf. Die medizinischen Geräte wurden gestern geputzt. Mein KARE Spiegeltisch hat in den vergangenen 96 Stunden mehr Glasreiniger gesehen als die sechs Monate zuvor. Der Saug- und Wischroboter ist gelaufen. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wurde sogar der Glastisch auf dem Balkon erst gestern gewischt. Es ist fast schon ein bisschen unheimlich. Aber gefällt. Sehr.
Von da an geht es Schlag auf Schlag. Mittags Logopädie, direkt im Anschluss Nagelpflege. Da hing ich mittlerweile so im Zeitplan zurück, dass ich es für eine gute Idee hielt, gleichzeitig meine Ohrentropfen anzuwenden. War zeitlich dann doch eher so mittel. Dass ich mit Tropfen im Ohr nix höre, ist bei der Nagelpflege jetzt nicht so tragisch. Doch dann stand ganz unerwartet einer meiner Hausärzt*innen mit einer ganz reizenden neuen Kollegin vor meinem Bett. I hör ja nix mit Tropfen im Ohr. Klingel, Ärztin, Arzt, die beiden hätten mir auch sagen können, sie zwicken jetzt den Zeh mit einer Kneifzange ab, weil wir alle keine Lust mehr haben auf das Theater. Meine Antwort wäre immer dieselbe gewesen. Sie sind der Arzt. Ich vertraue voll und ganz Ihrem Urteil. Für meinen Arzt wohl eine Ehre, wie er sagt, für mich Teil meiner Lebensphilosophie. Verantwortung übertragen.
Die mir viele Jahre verwehrte Fähigkeit, Verantwortung abzugeben, ist das, was meine persönliche Entwicklung am meisten gebremst hat. Mit meiner persönlichen Entwicklung auch die Entwicklung von Allem, was mich beschäftigt. Angefangen von der eigenen Lebenssituation über die zahllosen Beziehungen unterschiedlichster Couleur, bis zur eigenen Firma. Nie hatte ich mehr Freizeit und höheres Gehalt, denn seit die Firma richtig gute Mitarbeiter richtig gut bezahlt. Ist halt einfach so.
Eigentlich ist das vollkommen logisch. Die einzige logische Konsequenz davon, dass man Fachleute einstellt kann doch nur sein, dass jene welche dann auch eigenverantwortlich ihren Job machen dürfen. Habe ich leider erst spät begriffen. Sonst wären einige Dinge anders gelaufen als sie gelaufen sind. Nicht, dass die nicht gut gelaufen wären. Sie hätten halt nur mit viel weniger persönlichem Energieaufwand deutlich schneller noch besser sein können. So etwas wurmt mich am Ende des Tages doch. Eigene Dummheit. Es zu wissen, es zu verstehen, nichts zu ändern. Das ist dumm. Nein, genau genommen ist das nicht dumm, sondern dämlich. Ich verstand es die ganze Zeit, war nur zu feige, es zu leben. Der Inbegriff von Dämlichkeit. Dafür kann ich mir sehr wohl Vorwürfe machen.
Dumm wäre ich, falls ich es nicht verstünde, weil mein Gehirn dazu per se nicht in der Lage ist, es zu verstehen. Das wäre traurig, ich könnte mir dafür aber keinen Vorwurf machen, weil ich den wiederum ja gar nicht verstehen würde. Was ich schon wieder irrsinnig witzig finde. Und keiner hat diesen Zusammenhang besser erklärt als John Cleese höchst persönlich, dem heute das Schlusswort gebührt.