Liebes Tagebuch,

es gibt Dinge, die muss ich nicht verstehen. Würde ich aber gerne.

In letzter Zeit denke ich notgedrungen viel über meine Pflege nach. Erwarte ich zu viel? Sind meine Ansprüche zu hoch?

Wenn du mich nach meiner Meinung zum Pflegenotstand in Deutschland fragst bin ich hin und her gerissen.

Einerseits bin ich überzeugt, dass der Beruf der Pflegekraft viel zu wenig Respekt und Anerkennung verdient. Wenn ich dann wiederum sehe, welche steuerfreien Zuschläge gezahlt werden für Arbeitszeiten, in denen zu 95% der Zeit geschlafen wird und ich mich als Patient sogar rechtfertigen muss, wenn ich wegen lustloser Lagerung Schmerzen habe und „schon wieder“ gelagert werden möchte, dann sind Gehälter um 4.000,- € netto monatlich viel zu hoch. Da würde ich ja nur zu gerne ein leistungsorientiertes Modell einführen. Wer den Patienten warten lässt, weil er noch schnell 40 Minuten eine private E-Mail schreiben muss, bekommt kein Geld.

Ich bin mir schon klar bewusst, dass meine Ansichten oft sehr radikal schwarz-weiß sind. Aber genauso kann ich auch behaupten, dass die Mehrheit der bisher für mich tätigen PflegerInnen radikal unverschämt sind. Oder in welchem Beruf sonst kann man sich so etwas erlauben? Ich lasse das einfach mal so stehen. Entweder liege ich mit meinen Ansichten total daneben, oder vielleicht denkt der ein oder andere ja mal drüber nach…

  • Man nimmt sich ungefragt die 600-Euro-Bettwäsche von Joop! vom Kunden, um es sich gemütlich zu machen.
  • Bevor sich um den wartenden und bereits die Arbeitszeit bezahlenden Kunden gekümmert wird, setzt man sich erstmal eine Stunde mit Kaffee und Zigarette auf den Balkon des Kunden.
  • Man lässt keine Gelegenheit aus, um seinen Unmut darüber zu äußern, dass man eigentlich keine Lust hat, nachts zu arbeiten.
  • Ständig zu spät zu kommen und damit sogar die eigenen Kollegen zu verärgern, ist an der Tagesordnung.
  • Man führt während der Arbeitszeit permanent private Telefonate.
  • Man nutzt sämtliche Einrichtungen des Kunden, räumt aber seinen Dreck danach nicht weg.
  • Wenn es Probleme gibt, wird die Schuld aus Prinzip zuerst beim Kunden gesucht.
  • Arbeitszeitgesetze werden mit Füßen getreten.
  • Man unterhält sich über den Kunden in der eigenen Landessprache, die der Kunde nicht versteht.
  • Es vergeht praktisch nicht ein einziger Dienst, an dem man sich nicht über seinen Arbeitgeber beschwert. Oder über die eigenen Kollegen lästert. Oder beides.
  • Man bedient sich trotz bereits ausgesprochenen expliziten Verbots an den Spirituosen des Kunden.
  • Man trinkt während der Arbeitszeit Alkohol.
  • Sogar an Dingen von Freunden des Kunden wird sich vergriffen. Die entsprechende Beschriftung „Finger weg! Privat.“ ändert daran gar nichts.
  • In Vorbereitung auf eine zwölf Stunden Nachtschicht wird sich nicht etwa ausgeruht oder gar geschlafen. Nein, der Tag vor der Schicht wird für private Unternehmungen genutzt. Geschlafen wird schließlich beim Kunden.
  • Der Kunde wird regelmäßig bevormundet.