Ich würde gerne noch mehr Klugscheißen, weil einiges hier Behauptete halt einfach nicht stimmt, aber mein Gesabbel langweilt jetzt schon einige. Ich stelle mich gerne per PN oder anderswo der Diskussion, im Chat würde es jedoch ausufern. Insofern, hoffentlich dennoch einen geruhsamen Abend euch allen.
So oder so ähnlich könnten mehrere meiner Beiträge in den diversen ALS-Communities aussehen. Ist auch nichts Persönliches. Aber na ja, man möchte niemandem auf den Schlips treten. Nur halten sich einige Gerüchte über ALS so hartnäckig und sind einfach gefährlich falsch, dass ich versuche, damit aufzuräumen für die, die sich ernsthaft dafür interessieren. Und nicht nur wilde Behauptungen über angebliche Horrorgeschichten ins Netz stellen. Ohne Belege, ohne Zeugen, ohne Krankenakte. Und was für wirres Zeug geschrieben wird. Das ist ja gruselig. Am End glaubt noch einer den Schmarrn. Das Internet ist wahrlich ein gefährlicher Ort.
Es wird immer wieder in Foren und Chats nach medizinischem Rat gefragt. Oft von ganz lieben Menschen, die unzählige Symptome seit Wochen, Monaten und Jahren, ja, Jahren, bemerken und sich sicher sind, sie hätten ALS. Oder etwas noch Schlimmeres. Ganz nebenbei, ganz klar ist mir nicht, was schlimmer sein könnte als ALS, dir aber auch nach Jahren nicht die Fähigkeiten raubt zu laufen, sprechen, essen und trinken oder auch ganz banale Dinge, wie den ganzen Tag auf Facebook aktiv zu sein. Aber gut, anderes Thema. Wo sich wenigstens alle einig sind, ist, dass sie unter Atemnot leiden. Deshalb greife ich das Thema heute mal auf, um vielleicht ein bisschen Klarheit ins Meinungschaos zu bringen. Vorweg: Atemnot ist übel. Atemnot und damit verbundene Panik passieren meiner Meinung nach vor allem im Kopf. Ich weiß, ich bin kein Fachmann. Was weiß ich schon? Ich sag mal so, wenn du mal mit einer Sauerstoffsättigung von 78 deiner Pflegerin erklärst, dass du einen Sauerstoffkonzentrator hast, die Pflegerin in Ihrer Panik nicht schafft, den einzigen Knopf zu drücken, den das Teil hat… du ihr sagst dann wähle bitte die 112… und du dem Team aus zwei RTW plus Notarzt bei Ankunft sagst – Zitiere, gibt ne Menge Zeugen, die das warum auch immer nicht lustig fanden –
Stellts mal einer den O2 auf fünf bitte? Und dann nehmt euch nen Kaffee, Red Bull, Aperol und guter Prosecco stehen im Kühlschrank. In zehn Minuten gehts mir wieder gut.
Dann reden wir von der gleichen Sache. Alles über 80 is Kindergarten. Davon geht keiner vor die Hunde. Also keine Panik auf der Titanic. Spoiler: die Geschichte mit dieser Pflegekraft war noch bei einem anderen Pflegedienst. Auf 80, 82 falle ich aber nach wie vor mal ab. Kann schon passieren und ist in dem Moment unangenehm, aber nicht weiter tragisch.
Falls du auf dieser Seite gelandet bist, weil du auch nach Rat wegen deiner Atemprobleme (insbesondere bei ALS oder V. a. ALS) suchst, lass dir eins gesagt sein. Am besten beraten kann euch ein Neurologe, der auf neurodegenerative Erkrankungen spezialisiert innerhalb eines interdisziplinären Teams ua mit Pneumologen zusammenarbeitet. Die machen eine Blutgasanalyse (BGA) und in der Nacht eine endexspiratorische CO2-Messung (sogenannte Kapnometrie), mit der va die CO2-Sättigung im Verlauf festgestellt wird. So kann die Ursache bestimmt und behandelt werden. Für alles andere kannst du genauso gut eine Glaskugel befragen.
Im gleichen Atemzug mit der Suche nach einem Ratschlag wird interessanterweise eigentlich immer die eigene Selbstdiagnose genannt. Und die geforderten Hilfsmittel gleich mit dazu. Der Patient sollte nicht zum Arzt gehen und sagen was er heute sofort für ein Hilfsmittel braucht, sondern dem Ratschlag des Arztes zur Behandlung der Symptome folgen Der kann urteilen, was die richtige Behandlung ist. Vielleicht eignet sich eine Hustenhilfe besser, vielleicht eine Beatmung, vielleicht reichen ja auch vorerst schleimlösende Medikamente. Es geht also im Grunde bei vielen dieser Fragen im Netz nicht um die Suche nach einem Ratschlag, sondern nur um die Bestätigung der eigenen Behauptung, wie krank man doch ist. Und ehrlich, bisschen nervig ist das schon.
Ich hatte gerade erst einen Fall, bei dem ich unzählige Male konstruktive Vorschläge machte, wo sich der/die/das Betroffene fachärztliche Hilfe holen könne. Ich habe sogar Kontaktdaten einer ALS-Ambulanz dort am Wohnort vermittelt. Das Ganze scheiterte dann fürs erste nur daran, dass man keine Überweisung vom Neurologen bekommen konnte, weil man noch nicht einmal beim Neurologen war. Sorry, wer ein ernsthaftes Problem wie ALS hat, der würde wie ich damals sogar zu vier Neurologen gehen, bevor man ihn ins Krankenhaus geschickt hat.
Und dann ist da noch das Thema Medikamente und Hilfsmittel. Wie eingangs beschrieben, müssen in der Regel viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden und das kann nur ein gut ausgebildetes Team aus Ärzten und Therapeuten. Interessanterweise spalten sich beim Thema Sauerstoff die Geister. Da gibt es die einen, die ohne Diagnostik gleich noch am selben Tag einen Sauerstoffkonzentrator fordern. Und die anderen, die die wildesten Lügen erzählen, dass Sauerstoff den ALS-Patienten umbringen würde. Sorry, aber wieder einmal einfach nein. Ich bin seit Jahren der praktische Gegenbeweis. Also räumen wir mal noch ganz fix auf mit den drei größten Ammenmärchen zum Thema Sauerstoffgabe bei ALS.
1. Kein Krankenhaus verabreicht reinen Sauerstoff, außer in Spezialfällen wie einer OP, währenddessen ein beatmungspflichtiger Patient nicht beatmet werden kann. Als mir die PEG gelegt wurde, musste ich intubiert werden. Wie das neunmal beim Legen der PEG ist. Irgendwie muss das Teil schließlich in den Magen kommen. Nun arbeitet es sich dummerweise etwas schwer durch den intubierten Rachen, wenn eine Maske auf Mund und Nase klebt. Also pumpt man den Patienten mit reinem Sauerstoff auf 100% Sättigung auf und kann auch eine ganze Weile ohne Beatmung operieren.
2. Durch die Gabe von Sauerstoff fällt man nicht in eine CO2-Narkose. Das geschieht durch fehlende Zirkulation. Der Körper wandelt ständig Sauerstoff aus der Luft in Kohlendioxid um. Ob nun 90% Sauerstoffsättigung im Blut, oder 98% spielt keine Rolle. Solange das Kohlendioxid abgeatmet wird, ist alles in Ordnung. Wenn aber die Lungenmuskulatur – z. B. wegen einer ALS – nicht mehr richtig abatmen kann, wird es problematisch. Dann kann es zu einer CO2-Vergiftung kommen. Egal, ob du am Sauerstoff hängst oder nicht.
3. Selbstverständlich darf man einem ALS-Patienten O2 geben. Selbes Ding, solange genügend CO2 abgeatmet wird, spricht im Bedarfsfall nichts dagegen. Ein Sauerstoffkonzentrator liefert in der Regel sowieso nur ein bis maximal fünf Liter O2. Bei korrekter Anwendung ist das völlig unbedenklich.
Wenn du noch einen weiteren Tipp willst, hätte ich noch eine Videoempfehlung für dich. Du kannst deine Atemnot – und da würde ich einiges drauf setzen – viel besser kontrollieren, wenn du lernst, wie man richtig atmet. Und damit meine ich nicht den Quark, den dir dein Atemtherapheut verzählt, sondern einfach nur effektives Atmen wie es Abnoetaucher machen, um zehn Minuten mit einem einzigen Atemzug unterwasser zu bleiben. Also ich schaffe damit locker 30 Sekunden länger, bis meine Sättigung von (heute ausprobiert 96 auf unkritische 92 gefallen Und das, obwohl ich vollbeatmet bin und 0% Lungenfunktion habe. Ganz ohne Hilfsmittel und frei von Pharmazeutika. Messbare Tatsache. Solltest du mal probieren. Auch, falls du keine Atemprobleme hast, eine spannende Geschichte, das.