Liebes Tagebuch,

ein letztes Mal hat es die Geschäftsführung meines Pflegedienstes geschafft, auf ganzer Linie zu enttäuschen. Wieder einmal hat man mich verarscht.

Ja, krasse Wortwahl für eine krass beschissene Situation.

Ein Drama jagt das nächste. Da hat mir die Geschäftsführung nach dem letzten Eklat so vorgeschwärmt, was sie in Hinblick auf die zu besetzenden Vollzeitstellen planen würde. Welche Jungs und Mädels uns hier endlich zu einem festen Team verhelfen werden. Aber offensichtlich sind meine kognitiven Fähigkeiten jedes Mal wie auf Knopfdruck paralysiert. Denn was ich in rund 30 Berufsjahren immer so richtig gut konnte – Zuhören, Verstehen und mir unterbewusst den exakten Wortlaut aller relevanten Sätze meines Gesprächspartners merken – das klappt gar nicht mehr, sobald ich mit der Geschäftsführung (GF) rede. Da scheint mein Hirn Party zu machen und sich lauter Sachen einfallen lassen, die ich Tage später meine, gehört zu haben. Zu krass, ohne Witz. Ist völlig atypisch für ALS und wurde meiner Kenntnis nach noch nie dokumentiert. Zwinkersmiley.

Die Kasse müsste meiner geschätzten Kopfrechnung mindestens 5,3 Vollzeitstellen bezahlen. Richtig gut bezahlte Vollzeitstellen. Aber wirklich gut bezahlt. Die exakten Zahlen verrät einem ja keiner. Eins kann ich aber mit Sicherheit sagen. Mit Anfang 20 hatte ich nicht einmal die Hälfte davon auf meiner Gehaltsabrechnung stehen. Wir haben aktuell aber nur drei Vollzeitstellen besetzt. Fehlen also 2,5. Es dürfte außer Frage stehen, dass diese Vakanzen gedeckt werden, damit endlich Routine einkehren und ein gewisser Pflegestandard eingehalten werden kann.In diesem Punkt schöpfe ich große Hoffnung aus einem kürzlich gehaltenen Telefonats mit der GF. Ja, jetzt hat sie ganz plötzlich mehrere gute Leute, die zur Einarbeitung kommen werden. Die erste gleich noch heute Abend und in die Nacht rein, so lange, wie es halt dauert.

Hm… das entspricht jetzt nicht dem, was wir zwecks Einarbeitung besprochen haben. Mindestens einen vollen Tagdienst und einen vollen Nachtdienst, in Begleitung eines erfahrenen Pflegers, so haben wir es vereinbart. Nun gut, es ist ja zumindest schon einmal schön, dass wir die drei Stellen besetzen. Wenn wir erstmal ein volles Team haben und nicht jeder um die 200 Stunden – plus Überstunden versteht sich – im Monat runter reißen muss, dann bekommen wir den Rest auch noch irgendwie hin.

Eine neue Pflegekraft, die früher schon einmal für meinen Pflegedienst gearbeitet hat. Wegen Kind und Kegel wieder zurück im Job. Und ab sofort in meinem Team. Jemand mit Erfahrung. Das ist gut. So jemanden können wir gut gebrauchen.

Die Einarbeitung war kurz und schmerzlos. Der Maskenwechsel hat geklappt und mehr interessiert uns eigentlich nicht. Naja interessieren natürlich schon. Aber wenn keine Zeit dafür ist, muss man sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Kleinigkeiten, so Beatmung und so.

Was diese neue Pflegekraft angeht, kommt die Ernüchterung mit dem neuen Dienstplan. Drei Dienste. Künftig regelmäßig wohl zwei. Also, vom Decken der 2,5 Vollzeitstellen sind wir weit entfernt.

Vielleicht beim nächsten Pfleger zur Einarbeitung. Das macht hier grad einen soliden Eindruck. Kompetent, qualifiziert, kommt mit mir zurecht und hat Kapazitäten, um uns hier richtig unter die Arme zu greifen. Übernimmt gleich mal ein paar zu besetzende Dienste der nächsten Tage. Das war Rettung in der letzten Minute.

Doch auch hier folgt auf Euphorie sofortige Enttäuschung, als ich den neuen Dienstplan sehe. History repeating. Vollzeit? Teilzeit? Nein? Minijob vielleicht? Auch nicht? Dann weiß ich auch nicht. Wirklich, kein Plan, was die Scheiße soll. Dieser neue Top Pfleger arbeitet jetzt doch bei einem anderen Patienten. Bei mir geplante Dienste: Null.

Einen hamma noch. Jetzt aber. Das beste zum Schluss.

Ganz frischer Pfleger. Wird extra eingestellt. Now we’re talking. Die bisherige Variante, knapp die Hälfte meiner Dienste zu decken, indem man Leute von anderen Teams abzieht und dafür dann wiederum diejenigen, die hier geplant waren, zu diesen anderen Teams bei anderen Patienten zu schicken, mit Verlaub, ist doch Bullshit. Genau wie die Leute mit 200 Stunden zu planen. Auf Kante.

Also dann, los jetzt, Einarbeitung, gib Gummi.

Wie sich das entwickelt, das glaubst du nicht. Fortsetzung folgt. Gleich morgen früh…