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Es war so gut vorbereitet und geplant. Nachdem letztes Jahr schon ins Wasser fiel sollte dieses Jahr 2025 alles besser werden. So viele Seiten Text habe ich fertig, dass ein Teil davon vertont wird – weil so viel Text liest doch niemand. Und dann war da noch mein Lektorat, das die ein oder andere Stelle geschwärzt sehen wollte. Also ein weiteres Mal Texte überarbeiten, meine liebste Beschäftigung an Tagen wie diesen, an denen das Schreiben nur schwerlich über die Augen geht.

Über so viele wunderbare Dinge wollte ich berichten. So viele Seiten habe ich fertig in der virtuellen Schublade liegen – die nur darauf warten, mit original Bildmaterial aufgehübscht zu werden. So viele tolle Aufnahmen wie hier im Artikel zum Regenwald auf Sumatra sollten es werden zu jedem folgenden Artikel. Einfach nur deshalb, weil die Welt so schön ist und weil sie es wert ist, gezeigt zu werden. Solange wir das noch können.


Collage Sumatra Regenwald Loiser


Solange wir das noch können. Gutes Stichwort. Meine Augen und mein Körper konnten und vermochten es nicht mehr, zu können. Seit Schockschwerenot einer ganzen Woche schon schreibe ich an diesem Bericht. Seit zwei Wochen liege ich auf der Intensivstation des Barmherzige Brüder Krankenhauses München, das den nicht einfachen Auftrag bekommen hat, mich zu reparieren. Seit einem Jahr klage ich über Augenschmerzen, die sich wenn nicht als Konjunktivitis (Bericht hier)1 Konjunktivitis 🌐 https://paddys.de/konjunktivitis-oder-was/ oder gerissene Hornhaut (Bericht hier)2 Krankenhausreif an Weihnachten (Teil 1+2) 🌐 https://paddys.de/vergangenheitsinterview-03-krankenhausreif-an-weihnachten-teil-12/ , später dann als Clusterkopfschmerz entpuppen sollten.


Paddy mal wieder im Krankenhaus


Zum vermutlich ersten Male in meinem Leben zitiere ich einen Wikipedia Artikel, der mir empfohlen wurde. Und was soll ich sagen, es hätte eine Anamnese meiner selbst sein können, echt wahr. Das ist so krass. Das bei Wikipedia beschriebene Szenario passt nun wahrhaftig wie des Schicksals Faust auf mein (rechtes) Auge. Steht da doch geschrieben:

„Der Cluster-Kopfschmerz (von englisch cluster ‚Gruppe‘, ‚Häufung‘) ist eine primäre Kopfschmerzerkrankung. Er äußert sich unter anderem durch einen streng einseitig und in Attacken auftretenden, extrem heftigen Schmerz im Bereich von Schläfe und Auge.“3 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • check

„Die Bezeichnung Cluster bezieht sich auf die häufig vorliegende Eigenart dieser Kopfschmerzform, periodisch stark gehäuft aufzutreten. Es können sich dann für Monate bis Jahre beschwerdefreie Intervalle anschließen.“4 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • check

„Die Erkrankung ist auch unter den Bezeichnungen Bing-Horton-Neuralgie, Histaminkopfschmerz, Cluster headache (CH; englisch headache ‚Kopfschmerz‘), Suicide Headache und Erythroprosopalgie (altgriechisch ἐρυθρός ‚rot‘; πρόσωπον ‚Gesicht‘; ἄλγος ‚Schmerz‘) bekannt.“5 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • check

„Der Schmerz wird als unerträglich, reißend, bohrend und manchmal als brennend beschrieben. Er tritt meist um das Auge herum auf, seltener im Bereich der Schläfen und des Hinterkopfes. “6 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • check, check, check und check. Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. Ernsthaft. Die Übereinstimmung ist erdrückend. Als ich den Artikel las, ist mir gefühlt die Kinnlade runtergefallen. Und nochmal. Und nochmal. Einmal noch. Und nochmal.

„Besonders typisch ist ein während der Kopfschmerzattacken bestehender Bewegungsdrang, körperliche Unruhe oder Agitiertheit. “7 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • Es ist echt nicht meine Art, ganze Wikipedia Artikel zustimmend zu kommentieren, aber… check

„Zusätzlich zum Schmerz tritt mindestens eines der nachfolgenden Begleitsymptome auf der schmerzenden Kopfseite auf:

  1. gerötete Bindehaut des Auges (konjunktivale Injektion) und/oder ein tränendes Auge (Lakrimation)
  2. laufende und/oder verstopfte Nase (nasale Rhinorrhoe und/oder Kongestion)
  3. ein Lidödem
  4. Schwitzen im Bereich der Stirn oder des Gesichtes verengte Pupille (Miosis) und/oder ein hängendes Augenlid (Ptosis)“8 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz
  • check. Full House. Aber halt echt jeder einzelne Punkt. Sogar so Dinge wie das Schwitzen im Bereich der Stirn – sowas kann man sich nicht ausdenken und in der Gesamtheit faken. Passt alles. Als ob man meine Beschwerden abgefragt hätte, um diesen Wikipedia Artikel zu schreiben. So krass.

„Auch Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit kommen regelmäßig vor.“9 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • Übelkeit nein, dafür Licht- und Geräuschempfindlichkeit hoch zwei: check

„Der Schmerz während einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke gehört neben der Trigeminusneuralgie zu den stärksten für den Menschen vorstellbaren Schmerzen. Er wird häufig auf einer Schmerzskala von 0 bis 10 mit der höchsten Stufe angegeben. Weibliche Patienten beschreiben einzelne Attacken als schlimmer als den Geburtsschmerz.“10 Cluster-Kopfschmerz 🌐 https://de.wikipedia.org/wiki/Cluster-Kopfschmerz

  • Letzteres kann ich nicht beurteilen. Es liegt mir fern, zu jammern. Aber die Schmerzen sind stark genug, um mich ins Krankenhaus zu treiben. Was soll ich sagen… check.

Und höchst vorsorglich an das Wikipedia Team, ihr leistet eine tolle Arbeit, ich spende immer gerne. Es liegt mir fern, eure Texte zu klauen. Sollte ich mit meinen Zitaten über die Stränge schlagen, seid so lieb, schickt mir eine knappe E-Mail dazu und ich korrigiere das umgehend. Dazu brauchen wir keine Anwälte, oder?

Daneben wollen wir natürlich nicht meine teils lange bekannten Schwierigkeiten vernachlässigen, die zwar nicht per se Folge meiner Grunderkrankungen an amyotropher Lateralsklerose (ALS) (Bericht hier)11 Prolog 🌐 https://paddys.de/prolog/ und Cluster-Kopfschmerz (CH) (Berichte hier)12 Meine Augen: Meine These – Simpel. Logisch. Tragisch. 🌐 https://paddys.de/meine-augen-meine-these-simpel-logisch-tragisch/ 13 Schmerz lass nach 🌐 https://paddys.de/schmerz-lass-nach-2/ 14 Krankenhausreif an Weihnachten (Teil 1+2) 🌐 https://paddys.de/vergangenheitsinterview-03-krankenhausreif-an-weihnachten-teil-12/ 15Krankenhausreif an Weihnachten (Teil 1) 🌐 https://paddys.de/vergangenheitsinterview-03-krankenhausreif-an-weihnachten/ 16 Konjunktivitis oder was 🌐 https://paddys.de/konjunktivitis-oder-was/ sind, die es jedoch ohne die ALS schlicht und ergreifend gar nicht gäbe. Wenn ich nur ans Abführen denke, ganze Aufsätze geschrieben habe ich darüber (Berichte hier)17 2:1 🌐 https://paddys.de/21-2/ 18 Die Drei-Tage-Regel 🌐 https://paddys.de/die-drei-tage-regel/ 19 Die Sache mit der Sache 🌐 https://paddys.de/die-sache-mit-der-sache-3/ . Ein Kraftakt. Oder meine Zehennägel (Berichte hier)20 Don’t hurt my feelings. 🌐 https://paddys.de/no-pain-no-fun/ 21 Brennt mir unterm Nagel. 🌐 https://paddys.de/brennt-mir-unterm-nagel/ 22 Gesundheitsupdate 10/2023 🌐 https://paddys.de/uebergabe-2-0/ 23Es geht mir gut 🌐 https://paddys.de/es-geht-mir-gut/ , die nach der letzten chirurgischen Entfernung nach-, und erneut eingewachsen sind (Bericht hier)24 Offener Brief ans KH Wolfratshausen 🌐 https://paddys.de/offener-brief-ans-kh-wolfratshausen/ 25 Fröhliche Scheinheiligkeiten 🌐 https://paddys.de/froehliche-scheinheiligkeiten/ 26 Regenwald, Scheitern, Beweisen und so 🌐 https://paddys.de/regenwald-scheitern-beweisen-und-so/ . Nachdem sie beim Transfer im Krankenhaus am Bettende anstoßen mussten, bluten und eitern beide großen Zehen, rechts und jetzt auch links. Oder ganz andere Baustelle, mein dauerhaft entzündetes und blutendes Zahnfleisch (Bericht hier)27 Mundpflege 🌐 https://paddys.de/mundpflege/ [/footnDas ?ote]27 Echt jetzt? Dein Ernst? 🌐 https://paddys.de/echt-jetzt-dein-ernst/ 28 Rote Beete Saft Adé. 🌐 https://paddys.de/rote-beete-ade/ 29 Medium Rare is was für Weicheier. 🌐 https://paddys.de/medium-rare-is-was-fuer-weicheier/ 30 Graf Patricula 🌐 https://paddys.de/graf-patricula/ . Dieser fiese, stechend beißende Mundgeschmack (Bericht hier)31 Gesundheitsupdate 10/2023 🌐 https://paddys.de/uebergabe-2-0/ , der nervt auch gewaltig. Und dass ich mittlerweile so dermaßen schlecht höre (Berichte hier)32 Gesundheitsupdate 10/2023 🌐 https://paddys.de/uebergabe-2-0/ 33 Land der Baustellen 🌐 https://paddys.de/land-der-baustellen/ dass ich nicht einmal merke, wenn meine Musikanlage aufgehört hat meine Spotify Playlist abzuspielen (kennst du noch nicht? Guckst du hier)34 Radio 🌐 https://paddys.de/radio/ . Okay, eins nach zwei anderen.


Collage Beatmung Astral 100 und Cough Assist E-70


Über die vergangenen zwölf Monate hinweg hat sich das Luftvolumen, das bei der maschinellen Beatmung pro Atemhub in die Lunge gegeben wird (Tidalvolumen (Vt), Atemzugvolumen), stetig verringert. Ich erinnere mich nur zu gut an die dokumentierte Einstellung von 485 ml.

Und ehe ich mich versehe, man sich versieht und frau, was sieht Frau eigentlich? Also ich sehe jedenfalls: das wird ne lange Nacht, bis ich hier durch bin mit all meinen Wehwehchen. Ich komme tatsächlich dermaßen langsam voran mit dem Schreiben, dass ich diesen einen Satz hier vielleicht in der Zukunft geschrieben habe – als ich mehr oder weniger bequem, aber wieder mit Atembeschwerden, in meinem Pflegebett daheim liege.

Atembeschwerden dieses Mal nur, weil heute der vierten Tag in Folge ist, an dem ich nicht ordentlich abgeführt habe. Gestern nach Einlauf ein bisschen, das in Farbe und Konsistenz bestenfalls als Dünnschiss-Kuhfladen durchgehen könnte. Dazu später.

Zurück in die Vergangenheit. Und dann kamen die Tage, an denen das Atemzugvolumen die 300 ml Marke nach unten knackte. Was dummerweise die Alarmgrenze ist, das bedeutet die Maschine alarmiert im Zweifel auch morgens um halb sieben – und auch mal früher, um vier, halb fünf, wenn sicher alle außer meiner Wenigkeit im Tiefschlaf befindlich sind – lautstark und weist Skeptiker*innen in die Schranken: Das Atemvolumen wird tatsächlich weniger. Wir haben da ein Problem, Ursache unbekannt.


Beatmung Astral 100


Dann kamen die Paniken.

Luftnot. Das Atemvolumen ist zu gering, moniere ich nicht allzu selten. Unter den gegebenen Gegebenheiten das Mittel der Wahl wäre normalerweise das „Husten“ am Hustenautomaten. Doch das…

Mir wurde von meinen Pflegekräften mitgeteilt, es würden sich alle einen anderen Patienten suchen, wenn ich weiterhin so viel Arbeit mache. Soll heißen, zum Beispiel so viel Husten brauche. All meine schier jahrelangen Bemühungen ein guter Patient zu sein, allen eine bestmögliche Arbeitsumgebung zu bieten; nicht lustig, ich meine das todernst verdammt, es sollte für alle perfekt sein, aber irgendwas habe ich falsch gemacht – ungesehen, ungehört, unerreicht, gescheitert.


Hustenasistent Philips E-70


Szenenwechsel. Am Beatmungsgerät vom Krankenhaus liegt das Atemvolumen auf Anhieb bei knapp 600 ml – ein Segen, wie herrlich.

Nach einigen Tagen zurück auf meine Maschine und binnen 30 Minuten fällt das Volumen, aus schwerer Atmung wird Atemnot und daraus eine ausgewachsene Panik.

Long story short: Mit aktualisierten Beatmungsparametern klappt es auf Anhieb auch mit meinen eigenen beiden Beatmungsgeräten.


Die Liste der Beschwerden ist dennoch ziemlich lang. Nach zwei Wochen Krankenhaus, die mich bisher rund 24.000 € für die Mitnahme meines eigenen Pflegedienstes kosten werden, stehen wir bei den meisten Problemen noch am Anfang.

Einen HNO Arzt hat dieses Krankenhaus nicht, wie sich (erst als ich da bin) herausstellt. Es gibt im Haus keine eigenständige HNO-Klinik mit eigener Station und eigenem Ärzteteam, sondern eine Anbindung über Belegärzte und externe Kooperationspartner.

Tatsächlich haben wir einen Termin mit einem kompetent wirkenden und auf alle Fälle sympathischen HNO-Arzt hinbekommen. Er hat eine nicht unerhebliche Menge Ohrenschmalz aus dem linken Ohr entfernt und vorübergehend gab es eine kleine Verbesserung. Aber die ganze Wahrheit ist wohl, dass es zwei Stunden vor dem Termin „Plopp!“ gemacht hat und ich plötzlich relativ gut hören konnte. Nach besagtem Termin ging es noch ein bisschen besser. Und wenige Stunden später macht es wieder „Plopp!“. Nur leider in die andere Richtung. Alles auf Anfang. Ich höre so schlecht wie gestern.


Es sind einige Monde vergangen seitdem. Eigentlich sollte ich heute nicht schreiben, denn es ist kein guter Tag. Den gesamten Tag habe ich Schmerzen. Was auch immer passiert ist, dass die Schmerzmedikation gestern noch schien anzuschlagen, heute scheine ich praktisch keine Wirkung von der gleichen Medikation zu verspüren.

Heute höre ich auch ganz besonders schlecht. Ob es da einen Zusammenhang gibt?

Wen könnte ich dazu befragen, irgendwen mit Überblick über das große Ganze. Sicher gibt es da jemanden, aber ich höre doch so schlecht. Was bei der Visite ge- und besprochen wird, davon kriege ich nichts mit. Meine Sis gibt mir täglich ein Update, aber der Informationsfluss ist doch sehr unidirektional.

Heute ist wirklich nicht mein Tag. Mir wurde – angeblich auf ärztliche Anweisung – bereits vor geraumer Zeit am Abend Mirtazapin, also mein Schlafmittel, verabreicht. Und ich wundere mich, wieso ich um halb zwölf schon gegen den Schlaf ankämpfe und ob das an einer Überdosierung des Schmerzmittels liegen kann. Tja, das werden wir nun nie erfahren.

Das ist scheiße, weil das bedeutet, dass wir morgen das gleiche wie heute erneut testen werden – nur eben ohne konterkarierendes Schlafmittel. Dummerweise kostet mich privat jeder weitere Tag weitere viele hundert Euros für meinen eigenen Pflegedienst.

Und das war ja nicht das erste Mal. Letztes Mal – vorgestern – wiederholen mussten wir, weil man mir das falsche Schmerzmittel verabreicht hatte. Genauso bescheuert. Genauso unnötige Belastung meines Geldbeutels. Wenn meine Firma so arbeiten würde, wir hätten längst keine zufriedenen Kunden mehr und wären pleite.

Und nicht nur aus finanziellen Gründen wäre es von Vorteil, unseren Aufenthalt nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Bei meinen Pflegekräften liegen die Nerven nämlich blank. Je schneller wir wieder daheim sind – d.h. nicht nur in der gewohnten Umgebung und dem gewohnten Tagesablauf, sondern dort wo es auch Annehmlichkeiten wie rund um die Uhr Kaffee für 40 €/kg gibt (hier bestellen – unbezahlte Werbung35Einstein 125 – Espressomischung der Vogelmaier Kaffeerösterei 🌐 https://www.vogelmaier.de/online-shop/espresso/einstein-125/ ), einen überdachten Raucherbalkon und gutes Internet gibt – desto besser.

Die Schmerzen sind indes unverändert. Bestenfalls. Ich würde sie auf 7 einstufen, wobei das eigentlich nicht berücksichtigt, dass mir heute seit dem Aufwachen noch keine schmerzfreie Minute vergönnt war. Es ist zum Heulen.


Collage Einstein 125 – Espressomischung der Vogelmaier Kaffeerösterei


Und wieder vergeht ein Tag, an dem ich so viele private Nachrichten über WhatsApp, Facebook, Xing und Co. nicht beantwortet habe, weil es meine Augen nicht erlauben. Und da noch einer. Und schon wieder. Siehst du ihn auch?

So oder so ähnlich könnte meine Nachricht an dich anfangen, falls du mir in den vergangenen drei Wochen geschrieben oder Geburtstagsgrüße geschickt hast. Gepaart mit dem schlechtesten Gewissen, das du dir vorstellen kannst. Was absurd ist weil, naja es ist nicht so, dass ich noch besonders viel von meinem eigenen Leben Schrägstrich Körper in meinen eigenen Händen hielte in den vergangenen Wochen. Mal gefragt zu werden, was ich eigentlich will, das vermisse ich… Während die mich Pflegenden anmerken, dass es immer nur um mich ginge. Irgendwie ist hier alles in Schieflage geraten.

Wie lange stehe ich eigentlich schon auf der Warteliste des Krankenhauses, war das Ostern oder war es doch seit Pfingsten? Erst sollte es ja nach Großhadern gehen, die haben eine gute Diagnostik. Meine Diagnose ALS habe ich auch in Großhadern bekommen. Doch dann hatte Großhadern abgesagt und empfohlen, wegen der Schmerzen doch lieber eine Klinik mit Palliativstation aufzusuchen. Das erschien mir schlüssig. Und wieder warten wir und ich darf mich dafür kritisieren lassen, dass es nicht voran geht. Ja, die Nerven lagen blank. Wir brauchen diesen Termin vom Krankenhaus.

Also ja, es war „damals“ auch wirklich viel Arbeit im Vergleich zu jetzt, nach zwei Wochen Krankenhaus, wo zumindest die Baustellen Panik / Atemnot / Angststörung mehr oder weniger abgehakt sind. Husten muss ich praktisch gar nicht mehr. Insofern hat der Krankenhausaufenthalt definitiv was gebracht.

Ob es notwendig war mich zwei Wochen dazubehalten, mehr als zwei Wochen auf der Intensivstation, wo jeder Tag mit einer zwangsweisen Licht-Einschaltautomatik um sechs Uhr morgens beginnt (auch sonntags, wo nicht einmal eine Visite vorbeikommt), ich bezweifle es – aber ich wollte mich ja raushalten. Und ja verdammt, ich habe über 24 Tausend Euros für die Mitnahme meines eigenen Pflegedienstes auf den Tisch geblättert verdammte Scheiße, ich will doch sehr hoffen, dass es um mich geht. Hach ja, ich bin schon wieder nur am Lästern.


Collage Kalender und Social Media


Also Kurzform: Nach literally Monaten auf der Warteliste kam der Anruf und dann musste alles fix und stramm stehen und gehen. Es schien als wäre alles vergessen, weshalb wir diesen Zirkus veranstalteten mit wochenlanger Vorbereitung durch meinen Hausarzt, mit Feuerwehr fürs Treppenhaus und so. Ein weiterer Krankenhausaufenthalt, der mit beim Transfer im bzw. zum Krankenhaus eingeklemmten Gliedmaßen, gezogenem Pufi, abgerissenem Beatmungsschlauch und meinem neuen Favoriten „ihr müsst meinen Kopf halten, bitte, wirklich“ in die Geschichtsbücher eingehen wird.
„Wir machen das nicht zum ersten Mal.“
Offensichtlich doch, auf jeden Fall nicht mit einem ALS Patienten, weil sonst wäre mein Kopf nicht soeben runtergefallen und gegen die Liege (Metall) geknallt.

Wenn ich jedes Mal einen Euro bekäme, wenn mir jemand sagt „wir machen das nicht zum ersten Mal“

Und so endete ich im Krankenhaus, wo es zum Volkssport wurde, mein Bett zu verschieben ohne meinen Computer ebenfalls zu verstellen; oder über den Ständer zu fallen und nicht auf die Idee zu kommen, meinen Pfleger oder mich zu fragen , ob alles in Ordnung ist, oder oder oder. Eines Morgens riss die Putzkolonne das Stromkabel meines Computers raus und es dauerte bis in den späten Nachmittag hinein, bis jemand bemerkte, dass ich mich nicht äußern konnte – meine Schwester war dieser jemand. Sie war eine große Hilfe, ohne die ich das nicht ausgehalten hätte. Nicht einmal bei der Visite ist jemandem aufgefallen, dass ich mundtot gemacht wurde.

Meine Sis kam jeden Tag ins Krankenhaus und hat das Reden für mich übernommen. Und Zeichen Alphabet „übersetzt“. Die meiste Zeit bis jetzt war buchstabieren das einzige Mittel das mir blieb, da die Suche nach einem geeigneten Schmerzmittel gegen meine Augenschmerzen so allerhand Nebenwirkungen auslöste. Von fast schon amüsant-interessanten Effekten wie Schwarz-weiß-Sehen bis hin zu Totalversagen der Augensteuerung war einiges geboten.

Letzteres ist etwas, womit wir bis heute kämpfen. Leider scheinen sich sämtliche Schmerzmittel, die bei derartigen Augenschmerzen helfen, negativ auf Infrarotkameras auszuwirken, sodass die Pupillen nicht erkannt werden. Womit das ganze Ding nicht mehr funktioniert. Ich habe ein paar (viele, zu viele) Tage hinter mir, in denen ich ein Locked-in-Syndrom ausprobieren durfte (Erfahrungsberichte zum Locked-In-Syndrom hier)36 Krankenhausreif an Weihnachten (Teil 1+2) 🌐 https://paddys.de/vergangenheitsinterview-03-krankenhausreif-an-weihnachten-teil-12/ 37 Frohes neues J… ich sehe nichts – doppelt hält besser, jetzt LINKES Auge defekt 🌐 https://paddys.de/frohes-neues-j-ich-sehe-nichts-doppelt-haelt-besser-jetzt-linkes-auge-defekt/ 38 Krankenhausreif an Weihnachten (Teil 1) 🌐 https://paddys.de/vergangenheitsinterview-03-krankenhausreif-an-weihnachten/ . Aus meinem heutigen Selbstmitleid heraus ein Umstand, auf den ich gerne hätte verzichten können und in dem ich mich in meinem täglichen Umfeld (noch) nicht verstanden fühle. Sich nicht bewegen und nicht äußern zu können, nicht gefragt oder gar angesprochen zu werden und zu allem Überfluss praktisch nichts zu hören, das ist nochmal eine Dimension härter weil eine Dimension weniger.


Illustration Paddy locked in Locked-In-Syndrom


Entlassen wurde ich mit einer Einstellung, die wir jetzt erstmal zwei drei Wochen testen und dann ggf. weiter anpassen. Toi toi toi, erst seit drei Tagen schaffe ich es überhaupt wieder halbwegs flüssig mehr als zehn Zeichen zu tippen (heute sind es schon sechs Tage, doch die letzten zwei Tage konnte ich wieder nicht schreiben), seit gestern früh schreibe ich an diesem Thema und an nichts anderem, kann man sich gar nicht vorstellen aber is so. Es sei mir aus diesem Hintergrund betrachtet verziehen, dass ich Teile dieses Textes recyceln werde um anderen zu antworten, die ebenfalls schon viel zu lange auf Antwort von mir warten.

Mehr habe ich nicht zu sagen zu meiner Verteidigung.

Tag ich-habe-aufgehört-zu-zählen, so lange schon schreibe ich an diesem Bericht.


Ein großes Danke möchte ich anbringen für alle, die bei meinem Spendenmarathon mitgemacht haben. Hat mich sehr gefreut, zumal die Aktion angesichts meiner Probleme mit meinen Augen komplett unter die Räder gekommen ist. Ich hab so unglaublich viel vorbereitet, was ich alles nicht mehr umsetzen konnte nachdem meine Augen schon in den Wochen vor meinem Krankenhausaufenthalt nicht mehr mitgemacht haben.


Zum Spendenmarathon…


Ich würde den Spendenmarathon gerne nochmal aufleben lassen, aber solange ich acht Tage für einen Text wie diesen hier brauche und ich finanziell nicht in größter Geberlaune bin (was aber nötig wäre für solche Aktionen wie „wenn XY dann verdopple ich“)… naja mal sehen wie es die kommenden Tage wird. Ich bin ganz zuversichtlich, dass sich das Ganze stabilisieren könnte.

Zum ersten Mal seit ich im Krankenhaus war – ich habe mich ja aus allem rausgehalten, und es ist nicht einfach – verschaffe ich mir mal einen Überblick darüber, was alles gemacht wurde. Und was nicht. So. Alle auf die Plätze. Fertig. Nicht fertig? Oh…

1 – Lebensbedrohlicher Kaliummangel trotz Substitution in Massen: Ja, wir stellen fest, das ist wohl so. Salbutamol wirkt sich negativ auf den Kaliumhaushalt aus wurde uns gesagt, mein Abführmittel Dulcolax (wie bisher teils angenommen) dagegen nicht. Das belegen unzählige Laborbefunde. Warum man mir trotzdem seit Anfang der Woche wieder Dulcolax verbietet wollte mir bis dato niemand erklären.

2 – tägliche Atemnot und häufig Panik, ausgelöst durch kollabierendes Atemvolumen: check.

2a – Luftnot indes uncheck seitdem mir sämtliche Abführhilfen gestrichen wurden. Mein Bauch ist so unangenehm voll und drückt so krass auf die Lunge. Mann verdammt das war soo gut als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Warum gehen wir jetzt rückwärts?

3 – unsägliche Schmerzen aus multiplen Gründen: ich war sichtlich überrascht, dass es in der Klinik nicht einmal einen Augenarzt als Belegarzt gibt, insofern Ursachensuche von vornherein ausgeschlossen. Dennoch stehen alle Zeichen auf grün, denn

4 – Das Schmerzmanagement lässt Raum für Hoffnung: Um das klar zu sagen, schmerzfrei werde ich nie wieder sein. Das geht nur mit Medikamenten, die man mir nicht mehr geben möchte. Im Rahmen dieses Rahmens aber bin ich zum jetzigen Zeitpunkt zuversichtlich, dass wir auf einem guten Weg sind. Völlig wertfrei gemeint, einfach eine Bestandsaufnahme, mit der meine Ärztin denke ich mitgeht (ansonsten bitte kurze Mail an mich).

Morgens bin ich manchmal total verschallert und abends bekomme ich dafür wieder Schmerzen. Da ist noch einiges an „Feintuning“ nötig, um unter den gegebenen Umständen das beste rauszuholen. Aber das läuft. Und über meine Sis habe ich weiterhin direkten Kontakt zu und mit meiner Ärztin, die meine Umstellung der Schmerzmedikation auch nach meinem Krankenhausaufenthalt begleitet – ein Goldschatz (ja ich mag kein Gold wegen der Gestehungskosten: Umweltverschmutzung, Kinderarbeit, moderne Sklaverei – aber in der Redewendung sei es verziehen und sie ist wirklich gut).

5 – Von meiner Verdauung kann ich das leider nicht behaupten. Es müssen gut und gerne 50 bis 60 Laborbefunde aus dem Krankenhaus und 1 Laborbefund von daheim (nach Entlassung) sein, die allesamt keinen signifikanten Zusammenhang zwischen meinem Abführmittel Dulcolax und niedrigem Kalium-Wert vermuten ließen. Warum bei Entlassung sämtliche Abführmittel aus meinem Medikamentenplan gestrichen wurden – ein Rätsel. Zuletzt hatte ich einen Kalium-Wert von 5, was sehr gut ist und nebenbei bemerkt der beste Kalium-Wert, den ich je gesehen habe. Und das nach drei Tagen zügellosem Dulcolax Genuss. Warum also diese Panikmache und Rolle rückwärts, Abführ-Verbot und Atemnot in Kauf nehmen? Achso, ich wollte ja still sein.

6 – Das Team vom Wundmanagement hat sich meine Zehen angesehen, bevor sie Opfer der stählernen Bettkante des Krankenhaus-Bettes wurden. Meine Zehen wurden für nicht operationswürdig beurteilt, in einen Sockenverband gesteckt. Und dann passierte es: Fuß mehrfach angehauen und wenig später zieren Blut und Eiter das Stadtbild. Stadtbild, darf man das noch sagen?

7 – mein Zahnfleisch hatte mal ein paar gute Tage Anfang des Jahres, als wir versuchsweise mit hohen Dosen Cortison behandelt haben – überhaupt ging es mir da gut. Der ekelhafte Mundgeschmack war da auch weg. Meine Zehen waren da übrigens auch phänomenal gut, schmerzfrei, kein Eiter, kein Blut. Doch dann kam die Realität. Dauerbehandlung so nicht möglich. Alles auf Anfang. Im Krankenhaus haben wir das möglicherweise gar nicht mal angesprochen. Wahrscheinlich zu kompliziert und zu komplex. Ich bin halt doch kein guter Patient, einfach zu umständlich bin ich wohl.

8 – gute Nacht. Bestimmt habe ich etwas vergessen. Das wichtigste ist gesagt, nur nicht deutlich genug: danke, dass ich endlich wieder frei atmen kann. Gefühlt nicht mehr beatmet sein sondern atmen, genieße auch du es solange du kannst.

Dank Klimawandel gibt es heute schon Orte und Zeiten auf diesem Planeten, an denen der menschliche Körper nicht mehr in der Lage ist, seine Körpertemperatur über Schwitzen und Atmung zu regulieren. Und diese Orte werden immer schneller immer mehr. Ohne ein Fass aufmachen zu wollen, so ist es. Gemessen. Keine Meinung. Europa wird zum Hotspot im Klimawandel. Genieße es, frei kühle klare Luft am Morgen atmen zu können. Das wird nicht immer und ewig so sein.

Oh nein, Nummer 9 – Fast hätte ich eines meiner größten Probleme unterschlagen. Jetzt passiert mir das schon selbst. könnte am Alter liegen, bin ja ein Jahr älter jetzt. Natürlich, die Rede ist von meinem schlechten Hören. Vielleicht liegt das ja auch am Alter. Kleiner Scherz.


Es gibt Hoffnung. Nein, nicht für mich. Es gibt wirklich tolle Natur- und Artenschutzprojekte, die dem Klimawandel entgegen wirken. Unseren Regenwald auf Sumatra habe ich dir noch vor meinem Krankenhausaufenthalt vorgestellt. Viele weitere werden folgen und zwar Schlag auf Schlag.


Zum Spendenmarathon…


Und weißt du was, wir machen das jetzt einfach so, dass ich meinen Spendenmarathon wiedereröffne. Hier und heute mit einer Laufzeit bis zum Abend des 24.12. diesen Jahres. Am 25.12.2025 machen wir dann Bescherung.

Bis dahin habe ich schon ein paar Überraschungen vorbereitet. Die erste startet bereits diese Woche. Dranbleiben lohnt sich also.

Du möchtest mir nachträglich zu meinem Geburtstag ein Lächeln auf meine Lippen zaubern? Ich freue mich über jede Spende, und sei sie noch so klein oder noch so groß. Wirklich.

Unser „westlich kapitalistisches“ Geld ist in vielen Zielländern ein Vielfaches wert. Mit nur 1 € kann ich für dich einen ganzen Quadratmeter Regenwald kaufen und für immer schützen lassen. Jede Spende zählt. Wirklich.


So. Bleibt mir nur noch eines: Mea culpa für meine späte Antwort. Das nächste Mal wenn meine Schwester anbietet zumindest mal WhatsApp und Facebook, Instagram, Xing, … oh oh ich hab noch was vor dieser Tage. Wenn mir Sis das nächste Mal anbietet allen kurz zu antworten, um ein Lebenszeichen von mir zu senden, werde ich „ja“ sagen. Man lernt nie aus. Wirklich.

Ich drück dich ganz fest
Patrick

Quellenverzeichnis