Fast ein schlechtes Gewissen hatte ich zeitweise beim Verfassen meiner letzten Beitragsserie Gleichgültigkeit, Ignoranz, Unverschämtheit, Faulheit. Denn immer wieder mal gibt es Momente, in denen ich denke, da hat doch irgendwas klick gemacht. Ein freundliches Lächeln, augenscheinlich gute Stimmung. Fast möchte ich behaupten, man kümmere sich um mich, ist daran interessiert, dass es mir gut geht.
Doch schon kommt der Cut. Ich habe nichts getan. Und es passiert nichts. Keine Lagerung mehr, kein Absaugen, kein vom Arzt verordnetes Fußbad. Alles ausgefallen.
Wann immer ich rufe, wird mir zwar „geholfen“, aber mein Pfleger ist schneller wieder weg als er hier war. Als ob er jedes Mal versucht, den letzten Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Wahnsinn. Heute Nacht bin ich einmal kurz vor der neunzigminütigen Lagerung aufgewacht. Ich habe mich mal schlafend gestellt und beobachtet, wie man mich im Schlaf handelt. Alter Schweizer. Das ist ja noch lustloser als tagsüber. Ich wusste gar nicht, dass man einen Menschen „lagern“ kann, ohne ihn abzudecken und und ohne seine Arme zu berühren. Ich bekomme mittlerweile kaum Luft, weil die Arme und Schultern meine Brust regelrecht zusammenquetschen. Jetzt grad beim Schreiben übrigens auch, ich liege vollkommen verkrüppelt, krumm und schief, einfach lustlos hingekotzt da. Die Maske bläst ins Auge, der Kopf abgeknickt und mein Sabber läuft schon vom Kissen ins Bett. Das Kopfkissen war schon vor einer halben Stunde so nass, dass es sogar mein Pfleger nicht mehr sehen konnte. Und gewendet hat. Aber gleich kommt der Tagdienst und alles wird… Du kennst den Spruch, viel Schlimmer geht nimmer.
Heute Nacht. Atemprobleme. Ich rufe ihn, erkläre zum ich weiß nicht wie vielten Mal, dass man mich nicht auf zusammengedrückte Schulterblätter legen darf. Ich habe ALS und aufgrund dieser Erkrankung kann ich meine Schultermuskulatur nicht selbständig strecken. Quetscht du meine Lunge durch eine sehr ungültige Schulterstellung, bekomme ich schwer Luft. Denn so wie du mich bettest, so liege ich. Ist nunmal so. Finde dich damit ab.
Ein paar Tage und Nächte vergehen. Ich warte geduldig darauf, dass wir doch noch die Kurve kriegen. Aber er will nicht. Er will einfach nicht. Er hat keine Lust, keinen Antrieb, null erkennbares Interesse. Die Frage von Kolleg*innen auf die Frage, ob er morgen wieder Dienst hat, beantwortet er mit „Keine Ahnung, kann sein.“. Na ja, hatte er nicht, wie sich herausgestellen sollte.
Heute früh, mal wieder eine ach so typische Situation. Um 5:02 Uhr wurde ich gelagert. Auch nur, weil ich geklingelt hätte. Mal wieder kaum Luft bekommen, weil der Befeuchter nicht aufgefüllt wurde. Dadurch erhitzt sich das verbleibende Wasser schneller, verdampft und kondensiert im Schlauch. Ein Teil läuft durch die Maske in Mund und Nase, der Rest verstopft den Beatmungsschlauch. Jeder einzelne Hub von der Beatmung muss sich seinen Weg zur Maske erst frei schaufeln. Sogar als Außenstehender hörst du mit jedem einzelnen Atemstoß ein lautes „Plopp!“ und jetzt stell dir mal vor, wie laut ich das erst höre. Und ich bei jedem Atemzug erst gar keine Luft und dann mit einem schlagartigen Knall alles reingepresst bekomme. Mist ist das. Und unnötig obendrein. Das passiert nämlich nur, wenn man schlampig arbeitet.
Um 6:32 Uhr wäre die nächste Lagerung fällig gewesen. Um 6:40 Uhr wird es mir zu blöd. Ich rufe meinen Pfleger. Ich erkläre ihm, dass schon wieder Wasser im Schlauch ist, er möge bitte nicht nur den Schlauch ausleeren sondern Wasser nachfüllen. Ist ja nicht so, dass ich das nicht schon einige Male erklärt habe. Grob überschlagen sicher dreißig mal oder noch öfter. Und geschrieben. Guggst du hier. Das hat er dann auch getan, von Einsicht jedoch keine Spur. Und weg war er. Mich zu lagern hat er vergessen. Unfassbar.
7:00 Uhr. Die Nacht ist gelaufen. Der Tag auch. Mein ganzes Gesicht ist voll Wasser von der Beatmung und Speichel, der bereits aus dem Mund in die Maske und von der Maske aufs Kopfkissen gelaufen ist. Ich habe ihm ja gesagt, er soll was unterlegen, damit wir nicht das gleiche Theater haben wie letztes Mal (nachzulesen hier). Na ja, er hat es versucht. Das Papier lag nicht unter, sondern neben mir. Was solls. Er dreht das Kissen kurzerhand um. Es ist einfach widerlich, wie hier gearbeitet wird. Darum, dass ich abgesaugt werde, muss ich betteln. Die Beatmung alarmiert non-stop. Disconnect, meldet sie. Auf deutsch: nach faktisch vier Stunden Schlaf (und zwei anstrengenden Tagen hinter mir) habe ich nicht mehr genügend Kraft, um meine Lippen vollständig zu schließen. Luft strömt au. Die Maschine denkt, der Schlauch sei abgefallen.
7:50 Uhr. Ich erkläre meinem Pfleger, dass die Beatmung schon Recht hat mit dem, was sie behauptet. Zitat: „Meine Atmung ist grad echt nicht gut. Ich würde gerne inhalieren.“
Wieso muss ich eigentlich auch noch begründen, dass ich inhalieren möchte? Er hätte ja mal fragen können, wie es mir geht. Oder sich endlich mal den f**king Tagesplan anschauen können, auf dem sich die allmorgentliche Inhalation seit zwei Jahren nicht geändert hat.
Er will einfach nicht. Ich glaube, es liegt nicht an mir. Er will einfach nicht.